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Strasse der Sterne

Strasse der Sterne

Titel: Strasse der Sterne
Autoren: Brigitte Riebe
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berühren. Zu sprechen schien ihr unmöglich, dann jedoch dachte sie an den Segen der Schwarzen Madonna, die ihren langen Weg begleitet hatte, und plötzlich begannen die Worte zu sprudeln.
    »Von so weit her bin ich zu dir gekommen, Santiago«, sagte sie. »Aus dem fernen Regensburg. Ich weiß, du hast schon zahllose Wunder bewirkt. Du warst Papas Vertrauter und bester Freund. Deshalb bitte ich dich, mir meinen innigsten Wunsch zu erfüllen. Ich habe mein Augenlicht verloren, als ich ein Kind war. Bitte, gib es mir zurück. Mach mich wieder sehend!«
    Moira, Camino und Tariq sahen auf ihren schmalen Rücken und hielten den Atem an.
    Sie bewegte sich nicht. Angespannt wartete sie auf ein Zeichen.
    Als sie sich zu ihnen umdrehte, war ihr Gesicht wie erloschen.
    »Er hat mich nicht erhört«, flüsterte sie. »Ich bin seiner Wunder nicht würdig. Ich werde blind sein, bis zum Ende meiner Tage.«
    *
    Mit eiligen Schritten überquerte Camino den Platz, bevor er in das Gewirr der engen Gassen einbog. Zweimal musste er nach dem Weg fragen, bis er schließlich vor einem schmalen Haus mit dunkler Fassade angekommen war. Sein Klopfen blieb zuerst ohne Erfolg.
    Schließlich öffnete ihm eine zahnlose Berberin.
    »Ich mochte zum Meister Zacharias«, sagte er. »Es ist dringend.«
    Wortlos bedeutete sie ihm, ihr zu folgen. Die Treppe war so schmal, dass ihr ausladendes Hinterteil ihm die Sicht versperrte. Er war erleichtert, als er endlich das erste Geschoss erreicht hatte.
    »Du?«, sagte der weißhaarige Mann überrascht, der am Fenster saß. »Oswald? Ich glaub es nicht! Seit Zypern ist eine halbe Ewigkeit vergangen. Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dich in diesem Leben noch einmal zu sehen.«
    »Ich brauche deine Hilfe«, sagte Camino. »Beherrschst du deine Kunst noch?«
    Der Mann hielt ihm die ausgestreckten Hände entgegen.
    »Siehst du sie zittern?«
    »Nein«, sagte Camino. »Sie sind ruhig und stark. So, wie ich sie immer gekannt habe.«
    »Warum sollten sie dann verlernt haben, was ihnen in der Schule von Salerno von erfahrenen Lehrern beigebracht wurde?« Der Alte lächelte. »Ich helfe, wenn ich kann.«
    »Du hast deinen Namen geändert. Es war nicht einfach, dich zu finden.«
    »Karim al-Mamun«, sagte der Alte. »Ein guter, ehrenwerter Name, ein Name mit großer Tradition. Aber die Zeiten, mein alter Freund, sind nicht eben günstig für solche Namen. Man braucht ein Dach über dem Kopf und muss essen, um zu überleben. Als Meister Zacharias ist es wesentlich einfacher.«
    »Das verstehe ich gut. Manche Namen bedeuten eine schwere Bürde. Ich war lange nicht mehr Oswald von Lichtenfels, sondern ein Pilger, der sich Camino genannt hat.«
    »Täusche ich mich, oder klingt das, als sei diese Zeit bald vorüber?«
    »Dich, Karim, konnte noch niemand täuschen.«
    Der Alte erhob sich. Im Stehen war er beinahe so groß wie Camino. Sein Rücken war leicht gebeugt, sein Blick aber klar.
    »Wann kann ich mit dem Patienten rechnen?«
    »Kein Patient«, sagte Camino. »Es handelt sich um ein junges Mädchen. Meine Tochter Pilar.«
    Ein überraschter Laut.
    »Eine Tochter! Du verstehst mich immer wieder zu überraschen, mein Freund«, sagte der Alte. »Wie lange ist sie schon blind?«
    »Seit ungefähr sieben Jahren. Können wir gleich morgen kommen? Morgen früh?«
    »Einverstanden. Ich werde deine Tochter Pilar eingehend untersuchen. Danach sehen wir weiter. Allah sei mit euch.«
    *
    An der Plaza de las Platerías drängten sich die Läden der Silber- und Goldschmiede. Camino betrat den letzten, ganz unten an der Treppe. Innen war es kühl.
    Ein einfacher Tisch. Zwei Stühle. Einige Vitrinen. Eine kostbare Feinwaage. Man sah, dass es dem Inhaber auf das Wesentliche ankam.
    Der Goldschmied wiegte bedenklich den Kopf, als er sein Anliegen vortrug.
    »Das mit dem Gold ist eine Kleinigkeit«, sagte er. »Der Reif ist breit genug, um zwei Ringe daraus zu machen. Das könnte jeder bessere Lehrling bewerkstelligen. Aber mit den Steinen - das scheint mir ein Ding der Unmöglichkeit.«
    Er nahm seine Lupe aus Beryll und begutachtete den blauen Stein, danach den grünen.
    »Mit dem Labradorit könnte es möglicherweise sogar gehen. Aber Smaragd ist einer der empfindlichsten Edelsteine und bricht sehr schnell...«
    »Warum glaubst du, bin ich zu einem Meister gegangen?«, sagte Camino lächelnd.
    Der Goldschmied verzog keine Miene. Trotzdem war zu spüren, dass er sich über das Lob freute.
    »Und was die Form des Schmuckstücks
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