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Strandwoelfe

Strandwoelfe

Titel: Strandwoelfe
Autoren: Alexander Kent
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Klimawechsel abfinden.
    Als sie jetzt durch den Schneematsch schritten, vorbei an der alten Kirche und den uralten Bäumen, mochten sie kaum glauben, daß sie all das wirklich erlebt hatten: die Jagd nach Seeräubern, die Zurückeroberung der Brigg Sandpiper , mit der sie dann nach einer hitzigen Verfolgung durch gefährliche Riffe ein Piratenschiff vernichtet hatten. Männer waren gefallen, andere hatten Verwundungen erlitten: das Los der Seeleute überall in der Welt. Bolitho hatte im Nahkampf Mann gegen Mann gestanden, hatte töten müssen und einen Fähnrichskameraden beim Angriff auf die Festung von Sklavenhändlern fallen sehen 2 . Sie waren keine Knaben mehr, sie waren gemeinsam zu jungen Männern gewo rden.
    »Da ist es.« Bolitho wies auf das große graue Haus, viereckig, unbeugsam und fast von der gleichen Farbe wie die niedrig dahinjagenden Wolken und das Vorland dahinter.
    Durch das Gartentor ging es den breiten Weg zum Eingang hinauf, und Bolitho brauchte nicht einmal zu dem massiven Ring des Türklopfers zu greifen; denn schon flog die Tür auf, und Mrs. Tremayne, die Haushälterin, lief ihm entgegen, das rote Gesicht strahlend vor Freude.
    Sie schloß ihn in die Arme und drückte ihn an sich. Ihr Geruch nach frischem Leinen, Lavendel, nach Küche und geräuchertem Speck weckte noch mehr alte Erinnerungen in ihm. Sie war über fünfundsechzig und genauso ein Teil des Hauses wie dessen Grundmauern.
    Sie wiegte ihn in ihren Armen wie ein Kind, obwohl er einen ganzen Kopf größer war als sie.
    »Oh, junger Master Dick, was haben sie dir angetan?« Sie brach beinahe in Tränen aus. »So dünn wie ein Schilfrohr, wohl nichts zu essen gekriegt, aber ich werde dir bald wieder Fleisch auf die Knochen bringen.«
    Nun entdeckte sie Dancer und entließ Bolitho widerstrebend aus ihren Armen. Der grinste verlegen, aber erfreut über ihre Anteilnahme. Sie war allerdings noch viel stärker gewesen, als er damals, im Alter von zwölf Jahren, zum ersten Mal zur See gegangen war.
    »Dies ist mein Fr eund Martyn Dancer. Er bleibt über Weihnachten bei uns.«
    Alle wandten sich um, als Bolithos Mutter auf der Treppe erschien.
    »Und Sie sind uns herzlich willkommen!«
    Dancer betrachtete sie hingerissen. Er hatte während der langen Seewachen oder während der wenigen ruhigen Augenblicke unter Deck schon viel von Harriet Bolitho gehört. Aber sie war doch ganz anders als in seiner Vorstellung. Sie schien viel zu jung, um Richards Mutter zu sein, viel zu zerbrechlich, um so oft allein gelassen zu werden in diesem großen Steinhaus unter dem Vorland von Pendennis Castle.
    »Mutter!«
    Bolitho lief zu ihr, und sie umarmten sich lange. Noch immer beobachtete Dancer Richard, seinen Freund, den er so genau zu kennen glaubte, der gewöhnlich seine Gefühle hinter einem unbeteiligten Gesicht und dem ruhigen Blick seiner grauen Augen verbarg. Richard, dessen Haar so schwarz war wie sein eigenes blond, der zwar Bewegung zeigte über den Tod eines Freundes, im Kampf aber ein Löwe wurde, er wirkte hier mehr wie ihr Freier als ihr Sohn.
    Endlich sagte sie ruhig zu Dancer: »Wie lange könnt ihr bleiben?«
    Die Frage war beherrscht ausgesprochen, aber er spürte die Spannung darin.
    Bolitho erwiderte für ihn: »Vier Wochen, vielleicht länger, wenn…«
    Sie streckte die Hand aus und streichelte sein Haar.
    »Ich weiß, Dick, wenn . Die Marine muß dieses Wort erfunden haben.«
    Sie hakte beide jungen Männer unter.
    »Aber du bist wenigstens zu Weihnachten zu Hause und hast einen Freund mitgebracht. Das ist gut. Dein Vater ist noch in Indien.« Sie seufzte. »Und ich fürchte, Felicity bleibt mit dem Regiment ihres Mannes in Canterbury.«
    Bolitho betrachtete sie ernst. Er hatte nur an sich selbst gedacht, an seine Heimkehr, an seinen Stolz über das Vollbrachte. Seine Mutter dagegen hatte allem allein gegenübergestanden, wie es so oft das Los der Frauen war, die in die Familie Bolitho einheirateten.
    Seine Schwester Felicity, jetzt neunzehn, war glücklich gewesen über die häufigen Besuche eines jungen Offiziers der hiesigen Garnison. Während Bolithos Abwesenheit hatte sie ihn geheiratet und das Elternhaus verlassen.
    Daß sein einziger Bruder Hugh nicht zu Haus sein würde, hatte Bolitho erwartet. Hugh war vier Jahre älter, des Vaters Augapfel und tat zur Zeit Dienst als Leutnant auf einer Fregatte.
    Ein wenig verlegen fragte er: »Und Nancy? Geht es ihr gut, Mutter?«
    Ihr Gesicht erhellte sich und ließ sie noch jünger
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