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Straight White Male: Roman (German Edition)

Straight White Male: Roman (German Edition)

Titel: Straight White Male: Roman (German Edition)
Autoren: John Niven
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sogar ausgesprochen erfreut, von Kennedy zu hören. Und er entschuldigte sich für die Sache mit Paige. Wenn auch mehr schlecht als recht: »Wenn ich gewusst hätte, dass du ernsthaft in sie verknallt bist, dann hätte ich natürlich meine Finger von ihr gelassen. Ich meine – wir sind doch Kumpels, oder? Ich hab sie halt für irgend so ein Groupie gehalten, mit dem du ins Bett steigst.« Die Warnung bezüglich Dr. Beaufort tat er mit einer lapidaren Bemerkung ab – »Ehrlich? Wow. Was es nicht alles gibt? Scheiß-Limey-Ärzte …« –, bevor er Kennedy mit ein paar wirklich guten Neuigkeiten überraschte.
    Das Studio hatte auf den Rohschnitt des Films wohl noch begeisterter reagiert als erhofft. »Das wird ein Riesenhit, mein Freund. Wir sollten uns schon mal Gedanken über ein Sequel machen. Wenn dieser Streifen so reinhaut, wie wir alle glauben, dann steht dir ein Blankoscheck ins Haus. Du kannst dir quasi dein Ticket selbst ausstellen.« Das Filmgeschäft: Man musste es einfach lieben. Offenbar konnte man den Produzenten bewusstlos prügeln, den Star in den Hintern ficken und dem Regisseur einen Kerosineinlauf verpassen – wenn man ein bisschen Schwein hatte, dann machte man am Ende trotzdem eine Spitzenfigur. Aber Kennedy war dafür nicht mehr zu haben. Sollte jemand anders irgendein gotterbärmliches Sequel von etwas schreiben, das man von vornherein hätte bleiben lassen sollen. Sollte derjenige doch das horrende Honorar und die Tantiemenschecks der Writer’s Guild einsacken. Sollte dieser Depp halt Monate und Jahre der Qual darauf verwenden, etwas zu kreieren, das in zwanzig Jahren höchstwahrscheinlich nur noch als Netflix-Peinlichkeit existieren würde.
    Kennedy hatte andere Pläne.
    Im Krankenhaus war etwas Seltsames geschehen. Am Morgen des dritten Tages war er aufgewacht und hatte sich unerklärlicherweise fabelhaft gefühlt. Es dauerte eine Zeit lang, bis er den Grund dafür herausfand. An irgendwelchen wundersamen Drogen konnte es nicht liegen, denn er wurde nicht medikamentös behandelt. Schließlich dämmerte es ihm: Er hatte seit drei Tagen nichts getrunken. Kein Kater! Fuck, so fühlte sich das also an. Wie ein Samstagmorgen, wenn man fünfzehn Jahre alt war.
    Connie war die einzige Person, die ihn in der Klinik besucht hatte und wusste, was wirklich passiert war. Millie, Robin und Patrick – jene Menschen also, die sich am meisten um ihn sorgten – glaubten, er wäre für eine Woche in London, um den Rohschnitt des Films durchzugehen. Seinen Verband erklärte er ihnen damit, dass er betrunken gestolpert war. Connie machte ihrem Agentenjob alle Ehre. Sie schickte Bücher, Zeitschriften und Fresskörbe von Fortnum & Mason. Sie kam jeden Tag vorbei. Und sie weinte, als sie erfuhr, was er um ein Haar getan hatte. Er erzählte ihr die ganze Vorgeschichte. Er redete mit ihr, wie er vielleicht schon vor langer Zeit mit jemandem wie Dr. Brendle hätte reden sollen. Sie tupfte sich mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augen, lächelte ihn an, nahm seine Hand und sagte: »Schreib es einfach auf, Darling. Alles. Bring mich zum Weinen.«
    Während der letzten Tage im St. Thomas begann er damit, den Roman zu skizzieren. Bis spät in die Nacht, die Vorhänge um sein Bett zugezogen, beschrieb er im Licht einer kleinen Leselampe einen ganzen DIN-A4-Spiralblock. Prämisse, Plot, Figuren, Versatzstücke. Alles kam in großen Brocken aus ihm heraus. Eine Gliederung? Er war längst so weit, die lange, einsame Reise anzutreten. Den Atlantik zu überqueren. In einer Badewanne, um ihn herum nur endloses, wildes, graues Wasser, schreckliche Monster, die in der Tiefe lauerten – aber mit dem Wissen, dass ihn da draußen irgendwo auf der anderen Seite Land erwartete. Er hatte sogar schon einen Titel im Sinn: Straight White Male. Er war ziemlich zufrieden damit. Es war die Sorte Titel, die jede einzelne Seite des Buchs repräsentierte. Ein Titel voller Arroganz und Verblendung – ganz wie sein Schöpfer.
    »… das Wort Gottes«, endete Kennedy, schlug die Bibel zu und sah in die Gesichter seiner Familie. Patrick, Millie und Robin lächelten ihn an. Sie wussten, was für eine Überwindung ihn diese Heuchelei gekostet hatte.
    Von der Kapelle ging es über die Straße zum Friedhof. Ein kalter Wind peitschte von der Irischen See herüber. Unten im Hafen kamen und gingen die Fähren. In der Ferne erhoben sich die Martello-Türme über die Küstenlinie – kaum mehr als kleine Punkte. »Stattlich und feist erschien
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