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Strafzeit

Strafzeit

Titel: Strafzeit
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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hatte sich ja auch kein schlechtes Gewissen dabei gemacht, sie jahrelang zu vernachlässigen und zu hintergehen.
    Sie zog den sportlichen Verehrer schnell ins Haus. Die Nachbarn sollten ja nicht unbedingt mehr als notwendig zu Tratsch verleitet werden. Obgleich es ihrem Ego schmeicheln würde, wenn sie im Dorfklatsch nicht immer nur die Hintergangene, sondern auch einmal die Handelnde wäre, dachte sich Claudia.
    »Wie lecker es hier duftet, und wie verlockend du aussiehst«, hauchte ihr der Gast ins Ohr, als er sie zärtlich auf die Wange küsste und ihre Hüften umfasste. Ausgezeichnet! Auch er schien zweifelsohne bereit, aufs Ganze zu gehen.
    »Entenbrust in Rotweinsoße. Als Vorspeise italienische Bruschetta mit Tomaten und frischem Basilikum und als Nachspeise selbst gemachtes Tiramisù«, säuselte Claudia und strich ihm zärtlich über die rechte Wange, bevor sie mit einem verführerischen Lächeln auftrug.
    Das Essen war ein voller Erfolg, und der Corvo, ein lebhafter sizilianischer Rotwein, bei dem man die Kraft der Sonne herausschmeckte, half dabei, die letzten Hemmungen zu überwinden. Spätestens beim Tiramisu gab es kein Halten mehr. Claudia hatte dem Gast einen Löffel des leckeren Desserts vor den Mund gestreckt. Der hatte den Löffel abgeleckt, dabei aber nicht halt vor ihrer Hand gemacht.
    Der Nachtisch musste warten, denn beide konnten sich nun nicht mehr beherrschen. Ehe sie sichs versah, lagen sie splitternackt auf dem Dielenboden.
    Eine Sekunde lang wunderte sich Claudia, dass sie wirklich keine Gewissensbisse hatte. Dann konzentrierte sie sich nur noch auf die Eroberung.
    Endlich fühlte sich Claudia wieder begehrt. Er schien überhaupt nicht genug von ihr zu bekommen. Der sportliche Eindruck hatte sie nicht getäuscht. Gerade begannen sie wieder, sich einander innig zu widmen, als es an der Tür klingelte.
    Claudia schreckte auf, ließ von ihrer Affäre ab und starrte auf die Wanduhr. »Erst kurz nach elf. Mein Mann wird doch nicht zum ersten Mal seit Jahren so früh nach Hause kommen! Und warum klingelt er? Du musst verschwinden«, keuchte sie.
    Eilig suchten sie ihre Kleidung im Esszimmer zusammen. In der Zwischenzeit klingelte es noch zweimal heftiger an der Haustür. Notdürftig bekleidet wurde der Liebhaber über die Veranda verabschiedet.
    Dabei hätte der Abend ein würdigeres Ende verdient. Sie waren ja nicht einmal dazu gekommen, die nächste Verabredung auszumachen.
    Claudia strich sich die Haare zurecht und ging zur Haustür. Dabei bemühte sie sich, nicht allzu gehetzt zu wirken. Sie öffnete.
    Vor ihr stand ein hagerer Mann mit Nickelbrille und Mittelscheitel, neben ihm ein weiterer Mann, der etwas Ähnliches wie einen Lodenmantel trug, aber auf schwarzwälderisch getrimmt. Dazu einen grauen Filzhut, Kniebundhosen und Wanderstiefel.
    »Sind Sie Frau Mielke?«, fragte der Mann mit Brille und Mittelscheitel.
    »Ja, das bin ich. Was gibt es denn?«
    »Kriminalpolizei. Entschuldigen Sie, dass wir Sturm geklingelt haben. Wir dachten schon, es sei niemand zu Hause, aber da Licht brannte, zogen wir doch den Schluss, dass jemand da sein müsse«, erklärte er umständlich und schaute verlegen den Beamten neben sich an.
    Hätte der Hagere nicht genau wie ein Fernsehkommissar ausgesehen – Claudia Mielke hätte vermutlich an einen verspäteten Fasnachtsscherz geglaubt.
    »Ja und? Was gibt es denn?« Sie wurde ungeduldig. Hatte sie etwa ihr lustvolles Liebesspiel nur unterbrochen, weil die doppelstädtische Polizei wieder einmal auf Einbrecherjagd in den Vororten war? Gerade in den Wintermonaten hatten die Einbrüche in der Umgebung zugenommen, wie Claudia am Morgen im Schwarzwälder Kurier gelesen hatte.
    »Frau Mielke, Sie müssen jetzt sehr stark sein«, setzte der Brillenträger erneut an und kniff die Lippen zusammen. »Ihr Mann ist tot.«
    »Was sagen Sie da?«
    »Ihr Ma’ isch dod«, ergänzte der in der Kniebundhose, der in Kleidung und Sprache offenbar das Schwarzwälder Lokalkolorit der Kripo verkörperte. »’S duet uns echt leid.«
    Auch wenn Claudia Mielke keinen Dialekt sprach, hämmerte die Dialektversion der Worte die Wahrheit endgültig in ihren Kopf.
    Tot.
    Herbert.
    Tatsächlich.
    Vermutlich gestorben, während sie mit einem anderen leidenschaftlichen Sex gehabt hatte …
    Sie brach in hysterisches Lachen aus, das bald in einen heftigen Weinkrampf überging.
    Der Kniebundhosenmann nahm sie tröstend in den Arm. »Ganz ruhig. Des wird scho wieder.«
    Das bezweifelte mit
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