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Strafzeit

Strafzeit

Titel: Strafzeit
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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gewissem Recht ganz offensichtlich Kollege Müller, der Winterhalter nun einen missbilligenden Blick zuwarf.
    Nach einigen Minuten hatte sich Claudia Mielke wieder etwas beruhigt.
    »Wie ist es geschehen?«, fragte sie, jetzt wieder schluchzend.
    »Er wurde im Eisstadion während des Ravensburg-Spiels erschossen«, entgegnete der Mann mit der Nickelbrille, der immer noch etwas fahrig wirkte.
    Ungeschickt, aber doch irgendwie beruhigend tätschelte derweil der Schwarzwälder ihre Schulter.
    »Was sagen Sie da? Erschossen?«, fragte Claudia Mielke fassungslos nach.
    »Entschuldigen Sie, dass wir uns noch gar nicht vorgestellt haben«, meinte Müller unbeeindruckt. »Kriminalhauptkommissar Stefan Müller, Kripo Villingen-Schwenningen. Und das ist mein Kollege Winterhalter …«
    Der so ungewöhnlich gekleidete Winterhalter hatte vor Jahren den etwa fünfundzwanzig Kilometer entfernten elterlichen Bauernhof in Linach übernommen, betätigte sich seitdem als Nebenerwerbslandwirt und war in seiner knapp bemessenen Freizeit gerne in den umliegenden Wäldern unterwegs.
    Eigentlich kamen die beiden Kriminalbeamten gut miteinander aus. Beide waren Schwarzwälder. Da Müller allerdings im Dienst keinen Dialekt sprach, Winterhalter dafür aber umso mehr, empfand Müller den Kollegen als bunten Vogel im oft allzu grauen Polizeialltag.
    Und das Selbstgeschlachtete, das Winterhalter des Öfteren unter der Hand in der Polizeidirektion den Kollegen verkaufte, schmeckte wirklich fein. Ob es allerdings angebracht war, in Kniebundhosen bei der Frau eines Mordopfers aufzukreuzen, war sich Müller keineswegs sicher.
    Immerhin war Winterhalter als Begleitung noch stilvoller als der Kollege Ketterer. Mit dem war Müller vergangenes Jahr zur Frau eines Opfers gefahren, woraufhin sich folgender Dialog abgespielt hatte:
    Ketterer: »Grüß Gott, sind Sie d’ Witwe Steinhuber?«
    Die Frau, pikiert: »Steinhuber schon, aber doch nicht Witwe!«
    Ketterer: »Solle mer wette?«
    Winterhalter trat zwar weniger rustikal auf, aber dennoch, so nahm sich Müller vor, würde er selbst die Ermittlungsleitung an sich ziehen.
    Er wandte sich wieder an Claudia Mielke: »Dürfen wir kurz hereinkommen und Ihnen ein paar Fragen stellen? Hier draußen ist es doch grimmig kalt.«
    Müller rieb sich die Hände, die von der eisigen Luft ganz rot geworden waren.
    Claudia Mielke bat die beiden herein und lotste sie in die Küche, indem sie ihnen einen heißen Tee anbot.
    »Jo, warum nit?«, nahm Winterhalter das Angebot an. »Gern mit em kleine Schuss.«
    »Tee bei dieser Kälte gerne, aber für mich bitte ohne Alkohol. Nicht im Dienst«, ergänzte Müller und musterte den Eingangsbereich mit Stielaugen, als ginge es darum, Hinweise auf den Mord zu finden.
    Während Claudia Mielke mit zitternden Händen das heiße Getränk aufbrühte, ging Müller in der Küche umher und berichtete von der Ermordung ihres Ehemannes im Eisstadion.
    Für die Details war Winterhalter zuständig. »Volltreffer – en Kopfschuss war’s.«
    Vielleicht war er doch nicht so viel sensibler als dieser Kollege Ketterer …
    Müller schüttelte indigniert den Kopf und streckte ihn dann in die Durchreiche, die einen Blick in das Esszimmer gewährte.
    »Hatten Sie Besuch heute Abend?«, unterbrach er, ehe der Kollege in seinen Schilderungen der Leiche noch präziser wurde. »Der Tisch ist so reich gedeckt.«
    Claudia Mielke wurde verlegen. Was sollte sie der Polizei erzählen? Dass sie ein Schäferstündchen abgehalten hatte, während ihr Mann ins Jenseits befördert worden war?
    Ihre Hände zitterten noch mehr.
    »Ich hatte ein paar Freundinnen zum Essen da.«
    Nun hatte sie ihre Fassung wiedergefunden.
    »Wer könnte Ihren Mann umgebracht haben? Haben Sie irgendeine Vorstellung?«, bohrte Müller weiter.
    Winterhalter legte derweil seinen Hut auf den Küchentisch. An seinen Kniebundhosen hatten sich in der Kälte Eisränder gebildet, die sich nun verflüssigten und den Terrakottaboden volltropften.
    »Hat er Feinde g’habt? Isch er uf de Abschussliste vu irgendjemand g’schtande?«
    »Ihr Mann war doch Lehrer«, ergänzte Müller und nestelte an seiner Brille herum. »Gab es schwerwiegende Probleme mit bestimmten Schülern?«
    »Ha, des wär’s jo no«, entfuhr es Winterhalter. »Obwohl: Wundere dät mich sell au net. Es laufe jo mittlerweile scho die Zehnjährige mit em G’wehr umenand.«
    »Ich will ehrlich zu Ihnen sein«, setzte Claudia nun an. »Mein Mann und ich, wir hatten uns
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