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Strafzeit

Strafzeit

Titel: Strafzeit
Autoren: Stefan Ummenhofer , Alexander Rieckhoff
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seinem oberbayerischen Akzent fast die Seele aus dem Leib. Links von Hubertus fasste sich ein älterer Mann ans Herz – oder was er dafür hielt.
    Die Torhüter bekamen in den nun folgenden Minuten zunächst recht wenig zu tun. Nur Schüsse aus dem Mitteldrittel, beide Teams hatten Angst, einen Fehler zu machen, der den Aufstieg gekostet hätte.
    Nun drängte sich auch niemand mehr wegen des Getränkenachschubs durch die voll besetzten Stehplatzreihen. Die Blicke aller folgten der kleinen schwarzen Hartgummischeibe, und zwischendurch wurden sogar die Anfeuerungsrufe leiser, weil auch die Ultras unter den Fans zu gebannt waren.
    Es bedurfte ganz offensichtlich einer Einzelaktion, um das Spiel und damit die Saison zu entscheiden. Es bedurfte eines Helden – und der Eishockeygott hatte seinen ganz eigenen Sinn für Dramaturgie.
    Eben scheiterten die Ravensburger noch knapp, doch dann zogen die »Wild Wings« einen Konter an. Kirk Willy wurde bedient, der sich losgelöst von all den bösen Gerüchten über seine Frau durch die gegnerischen Reihen tankte, ins Gästedrittel eindrang und von halb rechts mit der Wucht seiner über hundert Kilo Körpergewicht abzog.
    Der Puck war zu schnell für Hubertus’ bebrillte Augen. Der sah als Erstes den hemmungslosen Jubel hinter dem gegenüberliegenden Tor, vernahm gurgelnde Laute um sich herum, erkannte, dass Kirk Willy beide Arme in die Luft riss und der Schiedsrichter mit ausgestrecktem Arm in Richtung Mittelkreis zeigte, und explodierte dann in einem Freudenschrei!
    Der lang ersehnte Aufstieg in die DEL war vollbracht!
    Das Stadion tobte wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Einige Fans wären vor Freude fast von den Oberrängen gefallen, was die reichlich vertretene Polizei in Alarm versetzt hätte.
    Es war einfach die pure Freude von Tausenden Eishockeyverrückten. Wie ansteckend dieses Fieber war, sah man an Edelbert Burgbacher. Er stürzte sich strahlend auf einen blonden, hageren Jüngling, der nach der sechsten oder siebten Umarmung etwas hilflos dreinschaute.
    Kirk Willy wurde von seinen jubelnden Mitspielern verfolgt. Er kurvte immer noch wie wild übers Eis, und Hubertus schien es so, als habe er ihm und Klaus mit seinem Schläger zugewunken.
    »Kirk Willy. Ein phantastischer Kerl!«, schrie Hummel in Richtung Riesle. »Dem haben wir ganz schön Unrecht ge-tan!«
    Klaus reagierte darauf erst zwanzig Minuten später, als es nach Champagnerduschen, Ehrungen, der La-Ola-Welle, dem unvermeidlichen »We are the Champions« und vielen weiteren Siegesliedern die Lautstärke wieder einigermaßen zuließ.
    »Bedank dich bei Ziegler«, sagte er. »Der hat dir dieses Gerücht auf dem Wochenmarkt ins Ohr gesetzt. Und vielleicht haben wir uns die Veilchen von Willy wirklich auch etwas verdient – kein Wunder, dass der sauer war.«
    Die Mannschaft war schon zur dritten Ehrenrunde aufgelaufen, zur Freude des Publikums, das weiter ausharrte.
    »Das Spiel ist jetzt aber schon endgültig vorbei, oder?«, erkundigte sich Burgbacher.
    »Ja. Weil es nach sechzig Minuten unentschieden stand, gab’s eine Verlängerung«, erklärte Hubertus geduldig.
    »Und das war jetzt der ›Sudden Death‹, der plötzliche Tod«, ergänzte Klaus.
    »Ein ›Sudden Death‹ hat auch Mielke ereilt«, kalauerte Hummel.
    »Ganz schön makaber, Herr Lehrer«, ermahnte Riesle seinen Ermittlerkollegen. »Auf jeden Fall finde ich, dass wir gute Arbeit geleistet haben. Und du hast die Ehre deines Berufsstandes gerettet, Hubertus.«
    »Ich habe doch gesagt, dass ich den Fall aufklären werde. Hubertus Hummel kämpft nämlich gegen jede Art von Unrecht«, sagte Hubertus pathetisch.
    Dann wandte er sich seiner Tochter zu. »Merk dir, Martina, der Name Hummel ist Verpflichtung. Denn wie hieß der Villinger Gründungsrektor der Universität Freiburg?«
    Martina stöhnte. Die Geschichte kannte sie. »Hummel. Matthäus Hummel.«
    Hubertus fuhr ungerührt fort: »Und wie hieß der Schmiedzunftmeister Villingens im Jahre 1786?«
    Martina nickte ergeben. »Hummel, Papa. Baptist Hummel.«
    Klaus lachte über seinen Freund und strebte dann allmählich in Richtung Ausgang.
    »Wie? Du gehst schon? Kommst du nicht mehr mit ins Bistro?«, fragte Martina enttäuscht. Heute durfte sie sogar in Begleitung ihres Vaters in dessen Stammkneipe. Sie überlegte noch, ob ihr das vor ihren Freunden peinlich oder angesichts der momentanen Lage doch ganz recht sein sollte.
    »Ich komme später nach, muss aber erst mal kurz bei einer Versammlung
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