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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verdient.«
    Deutschmann wurde sofort über Babinitschi wegtransportiert. Der Arzt einer Reserveeinheit, die jetzt die Stellungen besetzt hielt, gab ihm eine Antitetanus- und Antigasbrandspritze und schüttelte zweifelnd den Kopf, als ihn ein Sanitäter fragend ansah.
    »Beide Augen und das Bein …«, sagte er leise. »Ich glaube nicht … aber man kann nie wissen. Geben Sie mir bitte noch eine Morphiumampulle.«
    Auch der Stabsarzt auf dem Hauptverbandsplatz reichte Deutschmann, der inzwischen zu sich gekommen war, sofort weiter. »Sie werden nach Orscha gebracht, Herr Kollege, ins Kriegslazarett. Dort wird man weitersehen.«
    Deutschmann tastete nach seinen Augen und befühlte den dicken Verband, den man ihm angelegt hatte. »Was ist mit den Augen – und mit dem Bein – ich weiß nicht …«
    »Was?«
    »Ich erinnere mich …«
    »Das Bein ist hin.« Die Stimme des Arztes bemühte sich, burschikos zu klingen. Er nahm Deutschmanns tastende Hand vom Verband und legte sie auf die Decke. »Und – mit den Augen, das ist halb so schlimm. Wir werden Sie zurechtflicken, dem Nerv ist offenbar nichts geschehen, und das ist ja die Hauptsache.«
    »Früher einmal – habe ich – oft so gelogen …«, flüsterte Deutschmann. Der Stabsarzt schwieg bedrückt. »Und – was ist mit Schwanecke –?«
    »Wer ist das?«
    »Der Mann, mit dem ich –«
    »Ach so. Der ist wohlauf, soviel mir bekannt ist.«
    »Ist – ist er nicht – …«
    »Was meinen Sie?«
    »Wo ist er?«
    »Ich glaube, er befindet sich bei einer der übriggebliebenen Kompanien.«
    »Ja«, sagte Deutschmann. »Ich …« Er schwieg. Was sollte er auch noch sagen? Schwanecke hatte ihn zurückgebracht und sich damit selbst ausgeliefert. Wie viele Menschenleben hatte er, Deutschmann, auf dem Gewissen? Obwohl er nie geschossen hatte – wie viele hatte er umgebracht –? Julia – Tanja – Schwanecke …
    Reglos, still lag er da und betete: Er betete zu Gott, daß er ihn sterben ließe, und dann verfluchte er ihn, weil er immer noch lebte, er betete und bat, und seine Flüche waren eine einzige Bitte.
    Schwanecke hatte man zu der nächsten Kompanie gebracht, die von dem Strafbataillon in der Gegend lag. Es war die erste Kompanie Oberleutnant Wernhers, die den russischen Stoß in die Flanke bekommen und sehr schwere Verluste hatte, aber nicht völlig aufgerieben worden war wie Obermeiers zweite Kompanie.
    Wernher sah durch das Fenster seiner Hütte Schwanecke in Begleitung eines Unteroffiziers der Infanterie näher kommen. Er hatte bereits telefonisch die Meldung von dem Drama im Niemandsland erhalten und den Leutnant, in dessen Abschnitt sich das Ganze abgespielt hatte, gebeten, Schwanecke in Begleitung zu ihm bringen zu lassen.
    »Wieso?« hatte der Leutnant gefragt. »Hat der Kerl etwas auf dem Kerbholz?«
    »Ja.«
    »Er hat sich großartig gehalten …«
    »Das glaube ich.«
    »Ihr seid schon eine komische Gesellschaft«, hatte der Leutnant am Telefon geseufzt. »Also gut – ich schicke ihn in Begleitung eines Unteroffiziers.«
    Jetzt stand Wernher am Fenster und sah den langsam daherschlendernden und nach links und rechts grinsenden Schwanecke.
    Drei Mann überlebten den Untergang der zweiten Kompanie, ein Blinder, ein Schwerverbrecher und ein Feigling, der sich, wie man erzählte, diebisch freute, daß er den Fuß verloren hatte und damit für ewige Zeiten von der Front erlöst war. Was ist schon ein Fuß – der Staat zahlt ja eine hübsche Rente, und überdies: Ein Spieß braucht keinen Fuß, er kann auch ohne ihn die Mutter der Kompanie sein. Gute Spieße wurden gebraucht, ob mit oder ohne Fuß … es war herrlich, ein Spieß zu sein – wenn's nicht zu nahe an der Front war.
    Es klopfte. »Herein!« sagte Wernher.
    Schwanecke trat langsam in den Raum. Als er Wernher sah, breitete sich über sein Gesicht das gleiche Grinsen wie vorher, als er durch die Straßen ging und alte Bekannte begrüßte. Er nahm keine Haltung an, er grüßte nicht … er stand einfach da und grinste Wernher an. Was er wohl dachte?
    Wernher entließ den Unteroffizier, der Schwanecke hierhergebracht hatte. Er vermied es, Schwanecke anzusehen, dessen Tarnjacke blutbefleckt und dessen Hände braun vom geronnenen Blut waren. Selbst über sein Gesicht zogen sich einige Streifen Blut.
    »Ich habe – ich habe gehört«, begann Wernher heiser, »daß Sie sich großartig gehalten haben – Sie haben Deutschmann gerettet …«
    Schwanecke grinste nur.
    »Es ist mir nicht leicht – aber ich
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