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Strafbataillon 999

Strafbataillon 999

Titel: Strafbataillon 999
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wir kennen das, is' doch klar!« und während er sprach, holte er aus der Tasche ein verstecktes Klappmesser, das er bei dem Zimmermannstrupp organisiert hatte, er wandte kein Auge ab von Deutschmanns Bein, als er das Messer aufklappte, er sagte: »Nur verbinden, Professor – keine Bange, is' gleich fertig, dann bring' ich dich zurück zu den unseren …«
    »Die Augen – die Augen –«, wimmerte Deutschmann.
    »Ja – gleich«, sagte Schwanecke, setzte das Messer an und schnitt mit zwei, drei schnellen, starken Schnitten die Fleisch- und Hautfetzen durch, an denen Deutschmanns Bein hing.
    Deutschmann schrie. Schwanecke glaubte, noch keinen Menschen so schreien gehört zu haben, aber es war schon vorbei, und er sagte beruhigend: »War bloß 'n Hautfetzen, Kumpel, bloß 'n Hautfetzen, mußte weg, verstehst du, verstehst du … ich … gleich ist's vorbei!«
    »Ja – ja – die Augen …«, stöhnte Deutschmann.
    Schwanecke verband den Beinstumpf so gut er konnte, dann nahm er sein eigenes Verbandspäckchen und machte sich an Deutschmanns Kopfwunde, die fast aufgehört hatte zu bluten. Es war aus, ein Blinder konnte sehen, daß es mit Deutschmanns Augen vorbei war, weg, herausgerissen, die Nasenwurzel zerschmettert, der Stirnknochen, es war ein Wunder, daß kein Gehirn herauskam, aber vielleicht ging die Wunde nicht so tief, solche Sachen sahen im ersten Augenblick immer schlimmer aus, als sie waren, klar, vielleicht …
    Als er fertig war, richtete er sich halb auf und brüllte gegen die deutschen Linien: »Nicht schießen – nicht schießen! He – ihr Idioten – nicht schießen!« Er brüllte es immer wieder, bis das Feuer von den deutschen Gräben wirklich aufhörte, und dann schrie er: »Feuerschutz –! Hört ihr – Feuerschutz-!«
    Sie gaben ihn.
    Er lud den jetzt ohnmächtigen Deutschmann auf die Schulter, stand schwankend auf, beugte sich noch einmal herunter und hob auch Deutschmanns abgeschnittenes Bein auf und klemmte es unter den Arm.
    Dann lief er gegen die deutschen Gräben.
    Er war mitten auf dem Weg, der taghell erleuchtet war von immerfort aufsteigenden Leuchtkugeln, als ihm plötzlich schien, daß irgend etwas fehlte, und es dauerte eine Zeitlang, bis er wußte, was es war:
    Das Feuer war verstummt. Die Front war totenstill, nur die hohlen, kurzen Abschüsse der Leuchtpistolen unterbrachen ab und zu das Schweigen.
    Gut so –, dachte er grimmig. In Ordnung. Gut so.
    Langsam, Schritt für Schritt, ging er weiter durch die taghell erleuchtete Nacht, hochaufgerichtet, und warf einen huschenden, unförmig-veränderlichen Schatten auf die weiße Schneefläche. Er kümmerte sich nicht um Minen. Vielleicht – vielleicht wünschte er sogar, auf eine zu treten. Es war aus. Er war auf dem Wege zurück. Er ging in seinen Tod, er wußte es. Aber er ging weiter. Er tat es, obwohl er glaubte, daß der Mann, den er trug, nicht am Leben bleiben würde. Vielleicht auch war er bereits tot – genauso tot wie dieses Bein, das er unter dem Arm geklemmt trug. Aber er hatte es ihm versprochen, ihn zurückzubringen, er hatte gesagt: Ich bringe dich zurück, Professor! Und nun tat er es – gleichgültig, ob er noch lebte oder schon tot war, gleichgültig, daß er damit so gut wie sicher in den Tod schritt.
    Ein junger Leutnant nahm ihn in Empfang, als er über den Grabenaufwurf in die Stellung kletterte. Auch zwei Sanitäter mit einer Bahre warteten bereits. Langsam, vorsichtig, behutsam legte Schwanecke Deutschmanns Körper auf die Bahre und richtete sich wieder auf.
    Ein Sanitäter beugte sich über Deutschmann.
    »Lebt er noch?« fragte der Leutnant.
    Schwanecke zuckte mit den Schultern.
    »Was wollen Sie denn damit?« Der Leutnant zeigte schaudernd auf Deutschmanns Bein.
    »Ach so –.« Schwanecke legte das Bein auf die Bahre. »Ich hab' ihn zurückgebracht«, sagte er dann. »Verstehen Sie – ganz –!«
    »Er lebt noch!« sagte ein Sanitäter.
    »Beeilen Sie sich!« sagte der Leutnant. Und dann fragte er Schwanecke: »Wo kommen Sie eigentlich her?«
    »Von drüben. Wir sind – Strafbataillon, kapiert? 999. Wir haben einen Ausflug gemacht.«
    »Ja – ja, ich verstehe«, nickte der Leutnant. Er kannte die Tragödie der zweiten Kompanie dieses Bewährungsbataillons. War es nicht so, daß bloß einer mit erfrorenen Füßen zurückkam? Und jetzt noch diese beiden … es war eine verdammte Sache! Er sagte: »Ich lasse Sie zurückbringen, Sie können sich dann ausruhen. Ich glaube, Sie haben's
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