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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel
Autoren: Andreas Götz
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erreichte, wurde Mareike zur Seite gestoßen. Joy brauchte ein wenig, um zu begreifen, dass Sascha der Grund dafür war. Er hatte sie gerettet. Doch sie fühlte nichts. Weder Erleichterung noch Freude. Sie registrierte, dass Sascha Mareike mit dem Gewicht seines Körpers am Boden hielt. Aber warum benutzte er seine Hände nicht? Ein, zwei Sekunden dauerte es, dann begriff sie, dass er gefesselt war.
    Sie musste ihm helfen. Jetzt! Sie sammelte ihre letzten Kräfte, rappelte sich auf, kroch auf allen vieren zu den beiden. Mareike lag reglos da. Aus einer Platzwunde lief Blut. Ihr Kopf war offenbar gegen einen Stein geschlagen, das hatte sie ausgeknockt. Mühsam richtete Sascha sich auf. Mit zittrigen Fingern löste sie den Kabelbinder und sah dann zu, wie Sascha Mareike damit fesselte.
    Kaum war das getan, verließ sie wieder die Kraft, sie sackte mit dem Po auf die Erde, zog die Beine an, ihr Oberkörper fiel wie tot über die angewinkelten Knie. Sie war völlig am Ende und brach in Tränen aus.
    Als Sascha sich neben ihr niederließ und seinen Arm um sie legte, ließ sie ihren Kopf gegen seine Schulter sinken. Sie hatte keine Kraft mehr, etwas zu sagen, und auch er sagte nichts. Gemeinsam schauten sie auf den brennenden Bauwagen, aus dem inzwischen meterhohe Flammen schlugen und eine schwarzgraue Rauchsäule aufstieg.
     
    SASCHA WUSSTE NICHT, wie lange sie so dagesessen hatten. Irgendwann nahm er seinen Arm von Joys Schulter und rief seine Mutter an. Als er ihr erzählte, was passiert war, wusste sie nicht, was sie sagen sollte. In ihr stummes Staunen hinein fügte er noch hinzu: »Schick auch einen Krankenwagen. Es gibt ein paar Schürfwunden und Schnitte zu verarzten.«
    Es dauerte erneut eine ganze Weile, bis auch Joy sich aufrappelte. Sie behielt dabei seine Hand in der ihren. Er erinnerte sich nicht mehr, wann sie sie genommen hatte. Nur dass er sie nicht mehr loslassen wollte, wusste er.
    »Komm«, sagte sie nun, »ich muss etwas nachsehen. Während ich da unten lag, hatte ich das Gefühl, dass ich nicht allein bin.«
    Bevor sie weggingen, kontrollierte er noch einmal Mareikes Fesseln. Sie regte sich nicht. Anscheinend hatte sie sich in ihr Scheitern ergeben.
    Sich gegenseitig stützend, stiegen er und Joy in den Keller hinab. Am Fuß der Treppe wies sie mit dem Kinn auf eine Türöffnung am Ende des Ganges. »Ich war in dem Raum dort hinten. Die ganze Nacht lang.« Ihre Stimme geriet ins Zittern.
    Tröstend legte er seine Hand an ihren Nacken. Er wollte sich nicht vorstellen, was sie durchgemacht hatte. Irgendwie fühlte er sich schuldig. Das alles war ihr nur passiert, weil er sie in diese Sache reingezogen hatte. Sie würden darüber reden. Bald. Aber nicht jetzt.
    »Wie kommst du darauf, dass du nicht allein warst?«, fragte er stattdessen.
    Wieder gefasst, antwortete sie: »Weil ich manchmal jemanden seufzen gehört hab. Nur ganz schwach.«
    Sie schauten in den ersten Raum. Er war leer. Genau wie der daneben.
    »Vielleicht habe ich mich geirrt«, sagte Joy.
    Im nächsten Raum fanden sie etwas, das mit einer Plastikplane zugedeckt war. Ringsherum befanden sich dunkle, eingetrocknete Flecken. Sascha sah Joy an, sie erwiderte den Blick. Sie ahnte auch, was das war: getrocknetes Blut. Was für ein Anblick erwartete sie wohl unter der Plane?
    »Willst du rausgehen?«, fragte er.
    Joy schüttelte den Kopf.
    Gemeinsam hoben sie die Plane an. Saschas Magen zog sich zusammen, als sie darunter einen Mann fanden. Regungslos auf dem Bauch liegend. Überall an seiner Kleidung waren getrocknete Blutflecken. Lebte er noch? Oder war er inzwischen tot? Joy hielt die Plane, Sascha kniete neben dem Mann nieder. Da fiel sein Blick auf dessen Hand. An einem Finger steckte ein großer Ring. Ein Siegelring, der viel zu schwer wirkte für die feine, schmale Hand.
    Sascha erschrak. Eine Gänsehaut lief über seinen Rücken.
    »Androsch«, sagte er mit beinahe tonloser Stimme.

[zurück]
     
    »DARF ICH RAUCHEN?«
    Der eine Bulle – Falterer – sieht mich an, so als wolle er mir sagen, dass Rauchen meine Gesundheit gefährdet – ha, ha! –, dann nickt er, zieht eine Schublade auf, holt einen Aschenbecher heraus und stellt ihn vor mich hin. Ich krame meine Zigaretten und mein Feuerzeug aus der Jackentasche und zünde mir eine an. Der Rauch in den Lungen tut richtig gut.
    »Reden wir.«
    Die beiden wissen noch nicht, dass die letzten Worte, die sie von mir gehört haben, diese waren: Darf ich rauchen?
    »Wahrscheinlich ist es
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