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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel
Autoren: Andreas Götz
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Display.
    »Hallo Sascha, Mama hier. Ich stehe gerade vor deinem Fahrrad. Was für eine Kombination hat das Zahlenschloss?«
    »Mama! Ich kann mein Rad doch selbst abholen.«
    »Jetzt bin ich schon mal hier. Ich schmeiß es einfach in den Kofferraum, bevor es einer klaut. Also?«
    »Drei-drei-eins-neun-sechs-fünf.«
    »Oh, so ein Zufall, das ist ja mein Geburtstag.«
    »Das ist kein Zufall, Mama.«
    Ein Moment Stille, dann sagte sie mit seltsam bewegter Stimme: »Ich bin gleich da, Sascha.«
    Sofort kehrten seine Gedanken zu Joy zurück. Okay, dachte er, sie will mich nicht sehen. Die Botschaft ist klar. Aber er musste sie trotzdem wissen lassen, was mit ihm los war. Zur Not auch per SMS .
    Es tut mir schrecklich leid, schrieb er, dass Du durch mich so viel durchmachen musstest. Hasst Du mich jetzt und willst mich deshalb nicht sehen? Ich versteh das und bin Dir nicht böse. Aber eines muss ich Dir einfach sagen: Ich will mit Dir zusammen sein. Das wollte ich immer. Ich war nur zu feige, es Dir zu sagen. Alles Gute für Dich! In Liebe Sascha
    Er wartete den ganzen Tag und die halbe Nacht auf ihre Antwort. Doch es kam keine.
     
    EIGENTLICH HATTE SASCHA sich vorgenommen, keine Artikel und Berichte über das, was passiert war, zu lesen oder anzusehen. Doch dann stolperte er auf der Homepage derselben Boulevardzeitung, die Androsch vorschnell zu einem Mörder erklärt hatte, über die Schlagzeile: SIE IST NICHT UNSERE TOCHTER ! Und darunter stand: Eltern distanzieren sich von Zyankali-Monster Mareike A. So begann er doch zu lesen:
    Nun wollen nicht einmal mehr die eigenen Eltern etwas mit der Zyankali-Mörderin Mareike A. zu tun haben. Mareike A. hat, als Junge verkleidet, im Laufe des Sommers mehrere Mädchen zum Selbstmord verleitet und ihren früheren Psychotherapeuten Joachim A. (nicht verwandt mit Mareike A.) beinahe erschlagen. Ihr Motiv: Hass und Eifersucht. (Wir berichteten.) Nun kommen immer mehr Details ans Licht. Offenbar handelt es sich bei Mareike A. um eine tief gestörte Persönlichkeit. Ihre Therapie bei Joachim A. liegt schon zwei Jahre zurück und musste abgebrochen werden. Sie hatte sich in ihren Therapeuten verliebt und wollte seine Zurückweisung nicht akzeptieren. Aus Aufzeichnungen, die auf ihrem Computer gefunden wurden, geht hervor, dass sie fest überzeugt war, Joachim A. unterhalte mit anderen Patientinnen – ihren späteren Opfern – sexuelle Beziehungen. Nun sind die Eltern Spekulationen entgegengetreten, Mareike A.s psychische Störung könnte das Ergebnis von seelischem Missbrauch und emotionaler Verwahrlosung sein. In einer schriftlichen Stellungnahme, die unsere Zeitung erreichte, erklären sie: »Wir haben für Mareike alles getan. Sie hat unsere Liebe zurückgewiesen. Nun ist es genug. Wir wollen mit ihr nichts mehr zu tun haben und distanzieren uns von ihr. Sie ist nicht mehr unsere Tochter. Wir sind tief betroffen, fühlen mit den Familien der ermordeten Jugendlichen und sagen: Auch wir sind nur Opfer von Mareikes Untaten. Wir verlangen die härtestmögliche Strafe für sie!«
    »Du sollst das doch nicht lesen.«
    Sascha zuckte zusammen. Er hatte gar nicht gehört, dass seine Mutter nach Hause gekommen war. Jetzt stand sie in der offenen Tür zu seinem Zimmer.
    »Sie ist kein Monster«, sagte er und klickte die Seite weg.
    »Aber ihre Eltern. Ich hab sie heute erlebt. Da kriegt man eine Gänsehaut. Die sind nur an sich selbst interessiert. An ihrem Ruf. Der Vater – nach außen die Freundlichkeit in Person. Und gleichzeitig kalt wie sonst was.«
    Sie hielt kurz inne, dann fuhr sie fort: »Mareike hatte einen Bruder. Tristan. Er ist auf der Baustelle umgekommen. Vom Balkon gestürzt. Vor fünf Jahren.«
    Daher also der Name, dachte Sascha.
    »Der Vater behauptet jetzt, dass sie auch ihren Bruder umgebracht haben könnte.«
    »Und was denkst du?«
    »Ich weiß es nicht. Sie lebt in einer eigenen Welt. Aber sie ist auch verdammt schlau. Sie hat zum Beispiel für den Handy-Kontakt mit ihren Opfern stets ein neues Prepaid-Konto eröffnet, unter falschem Namen natürlich. Wir haben die SIM -Karten bei ihren Sachen gefunden. So konnte sie verschleiern, dass alle vermeintlichen Selbstmörderinnen zu ein und derselben Person Kontakt hatten. Denn das wäre uns natürlich sofort aufgefallen.«
    »Aber am Ende hat sie es nicht mehr so klug angestellt.«
    »Das sehen wir oft. Es gibt Täter, die ihre Taten bis ins Letzte durchplanen, für alle Eventualitäten vorsorgen, auf alles vorbereitet
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