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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel
Autoren: Andreas Götz
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sind und wie ein Uhrwerk funktionieren. Aus gutem Grund. Sie können nämlich nur schlecht improvisieren, schon gar nicht unter Zeitdruck. Da machen sie dann oft die banalsten Fehler, und es geht alles schief.«
    »Und Androsch? Gibt es von ihm was Neues?«
    »Noch nicht. Er liegt immer noch im Koma. Aber zumindest ist er stabil.«
    »Glaubst du, er hat sich wirklich an den Mädchen vergangen?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Dem Vorwurf wird nachgegangen, aber was ich so höre, hat sich bislang nichts in die Richtung ergeben. Fest steht aber, dass er mit Laila zumindest zeitweise eine Liebesbeziehung hatte. Das hat er schon in der ersten Vernehmung selbst zugegeben.«
    »Dann hat Mareike sich alles andere also größtenteils nur ausgedacht.«
    »Menschen wie sie brauchen keine Beweise für ihre Annahmen. Im Gegenteil. Sie deuten alles, was dagegenspricht, in ihrem Sinne um oder blenden es aus.«
    Sie kam näher und legte die Hand auf seine Schulter. »Wie geht es dir denn heute?«
    »Schon okay, ich komm klar.«
    »Wirklich?«
    Er nickte.
    »Und was ist mit Joy?«
    »Ihre Mutter lässt mich nicht zu ihr.«
    Sie zögerte einen Moment, dann sagte sie: »Du liebst sie, oder?«
    Aus einem Reflex heraus wollte er es erst leugnen, aber dann gab er zu: »Ja. Sehr.«
    »Das alles braucht jetzt ein bisschen Zeit. Du musst einfach Geduld haben.«
    Er wusste, dass sie recht hatte. Statt ihn wieder alleine zu lassen, blieb sie, so als wolle sie noch etwas sagen, das ihr aber nur schwer über die Lippen kam. »Ist noch was?«, fragte er nach einer Weile.
    Sie räusperte sich. »Ja, da wäre noch etwas. Aber ich weiß nicht, ob der Zeitpunkt so günstig ist, gerade jetzt darüber zu reden.«
    »Versuch’s einfach.«
    Sie räusperte sich noch einmal. Was war nur mit ihr los? So unsicher kannte er sie gar nicht.
    »Es gibt da jemanden«, sagte sie schließlich. »Also, einen Mann. Einen Kollegen.«
    Äußerlich blieb er ruhig, innerlich aber war er zusammengezuckt. Also doch. Er sagte nichts außer: »Und?«
    »Es ist noch nichts passiert zwischen uns«, sagte seine Mutter eilig. »Wir sind uns nur irgendwie … Na ja, wir waren in letzter Zeit öfter nach dem Dienst noch kurz wo was essen. Bernd – er heißt Bernd – möchte gerne den nächsten Schritt tun. Ich irgendwie auch, aber nicht, wenn du was dagegen hast.«
    Sascha schwieg. Was sollte er auch sagen? Immerhin fand er es korrekt von ihr, dass sie ihn überhaupt fragte. Vor ein paar Monaten wäre er bei so einem Gespräch vermutlich ausgerastet, aber inzwischen sah er manche Dinge anders. Vielleicht war er erwachsener geworden. Vielleicht lag es aber nur daran, dass er wusste, wie es war, wenn man jemanden liebte.
    »Danke, dass du fragst, Mama«, sagte er ruhig. »Ich will, dass du glücklich bist, und wenn dieser Mann … Bernd … Wenn er dich glücklich macht, ist es für mich auch okay.«
    Sie lächelte. »Danke, Sascha. Du musst nicht denken, dass Bernd Papa irgendwann verdrängen kann. Papa ist und bleibt was Besonderes, für dich und für mich.«
    »Schon klar, Mama. Weiß ich doch.«
    »Komm zu mir, mein Großer!«
    Sie breitete die Arme aus, er stand auf und ließ sich hineinfallen.

48
    ZWEI TAGE SPÄTER erfuhr Sascha, dass Androsch aus dem Koma erwacht war. Schon am nächsten Tag ging er hin, um ihn zu besuchen. Er erschrak, als er ihn mit dem Kopfverband in dem übergroßen Kissen liegen sah. In der Ecke stand ein Rollstuhl. Androsch wirkte erstaunt, aber auch erfreut, ihn zu sehen.
    »Ich habe nicht mehr viele Freunde«, sagte er. »Nach dem, was über mich in den Zeitungen stand, halten mich wohl alle für einen Mädchenschänder.«
    »Ich hab das nie geglaubt.«
    Androsch lächelte, aber es war ein trauriges Lächeln. Was nicht verwundern konnte, schließlich war das Leben, das er bisher gelebt hatte, für immer zerstört.
    »Wie geht es Ihnen denn?«
    »Wenn man bedenkt, dass ich eigentlich tot sein müsste, darf ich nicht klagen. Normal laufen werde ich wohl nicht mehr können, aber sonst … Ich bin zufrieden.«
    Natürlich hatte die Polizei bereits mit ihm gesprochen. Sascha wusste durch seine Mutter, dass Mareike Androsch genau wie ihn mit dem Vorwand, sie werde sich das Leben nehmen, zur Bauruine gelockt hatte. Das war für ihn ziemlich überraschend gekommen, denn er hatte seit zwei Jahren keinen Kontakt mehr zu ihr gehabt. Dass sie ihn zeitweise regelrecht observierte, hatte er nicht mitbekommen.
    »Hassen Sie Mareike jetzt?«
    »Hasst du sie
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