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Stirb leise, mein Engel

Stirb leise, mein Engel

Titel: Stirb leise, mein Engel
Autoren: Andreas Götz
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Stromschlag. Da war noch etwas gewesen, etwas, das sie gesagt hatte, kurz bevor sein Blackout einsetzte, aber er kam nicht mehr darauf. Was sollte der Mist? Was hatte sie vor? Er drehte sich auf die Seite, fand sich unter Mareikes eiskaltem Blick.
    »Schade«, sagte sie, »das hätte anders laufen sollen. Du hast es verdorben.«
    »Was hab ich verdorben?«
    Sie sah ihn nur schweigend an, kaute dabei an ihrer Unterlippe. Worüber dachte sie nach? Dann fasste sie in ihre Hosentasche und holte etwas heraus: sein Glitzerherz.
    »Erkennst du das wieder?«
    »Natürlich. Du hast es mir geklaut.«
    »Es gehörte mal Alina.«
    »Ich weiß.«
    Er sah zu, wie sie es vor ihren Augen baumeln ließ, so als wollte sie sich selbst hypnotisieren. Da erschreckte ihn ein Gedanke, der wie aus dem Nichts kam. »Hast du was mit Joys Verschwinden zu tun?«
    Mareike antwortete nicht, aber das musste sie gar nicht. Er wusste es auch so. Und das weckte spontan seinen Zorn. Er zerrte an seiner Fessel und schrie: »Wo ist sie? Was hast du mit ihr gemacht?«
    Sie rollte nur verächtlich mit den Augen. »Beruhige dich. Ich hab ihr nichts getan.«
    Konnte er ihr das glauben? Nach all den Lügen und Täuschungen? Ihm blieb nur die Hoffnung, dass sie ausnahmsweise einmal nicht log.
    Mitten in seiner Aufregung fiel ihm wieder ein, was Mareike als Letztes gesagt hatte, kurz bevor er ausgeknockt worden war. Tristan! Sie war Tristan! Eine Mörderin! Und er lag hier, in ihrer Gewalt, gefesselt.
    Die Angst ließ ihm fast das Blut in den Adern stocken. Lähmte ihn. Und da wurde ihm klar, dass er diese Angst kannte: Es war die Angst, die ihn mit dem Tod seines Vaters befallen und seitdem nicht mehr verlassen hatte. Nein, nicht nur die Trauer um den geliebten Vater hatte ihn so lange gelähmt, es war auch diese Angst gewesen. Todesangst. Er erinnerte sich an etwas, das Androsch gesagt hatte, und erst jetzt verstand er, was damit gemeint war:
Durch den Tod eines geliebten Menschen werden wir mit unserer eigenen Sterblichkeit konfrontiert.
    Doch er konnte jetzt keine Angst gebrauchen. Nicht, wenn er lebend hier herauskommen wollte. Sein Blick fiel auf das Glitzerherz in Mareikes Hand.
Das coole Herz.
Genau das, was er jetzt am dringendsten brauchte: ein kühles Herz. Er stellte sich wieder vor, das Herz in seiner Brust würde ebenso wie das Glitzerherz von etwas umschlossen und geschützt und die Angst wollte danach greifen, aber sie kam nicht heran und erlangte deshalb keine Macht darüber.
Das coole Herz … Das coole Herz … In seiner Brust … ein cooles Herz …
    Es funktionierte! Mit jedem Atemzug wurde er ruhiger. So ruhig, dass er Mareike schließlich mit fester Stimme fragen konnte: »Was sollte das eigentlich heißen, dass du Tristan bist?«
    Erst jetzt blickte sie auf. Sie steckte das Glitzerherz wieder ein, stützte die Ellbogen auf die Knie, sah ihn an und sagte: »Ich erkläre dir das mal, du Superdetektiv: Natalie und ich waren überhaupt keine Freundinnen. Ich hab mich als Tristan an sie rangemacht. Genau wie an Sarah und Alina. Die beiden waren total in mich verknallt. Kannst du dir das vorstellen? Damit hatte ich nicht gerechnet. Dass ich den Jungen gespielt hab, das sollte doch bloß Tarnung sein.«
    »Und wie …?«
    »Was?«
    »Wie hast du sie dazu gebracht …?«
    »Oh, das war ganz einfach.« Sie nahm die Baseballmütze und setzte sie auf. »Du musst total unnahbar sein. Mysteriös. Düster. Damit kriegst du sie alle. Und dann …« Sie säuselte übertrieben: »Mein Engel, ich liebe dich so. Mehr als mein Leben. Lass uns zusammen sterben. Auf ewig vereint im Jenseits …« Ihre Stimme wurde wieder normal. »Dann hab ich so getan, als würden wir beide gehen. Aber gegangen sind nur sie. Weil nur in ihrer Cola das Zyankali war.«
    Sie nahm die Baseballmütze wieder ab und warf sie hin.
    Sascha konnte nicht fassen, was er da hörte. Ihre Taten waren schon erschreckend genug. Doch die Art, wie sie davon erzählte, machte sie noch schrecklicher. Keine Spur von Bedauern. Oder Reue. Nein, sie schien die Erinnerung daran zu genießen.
    »Ich hab denen einen Gefallen getan«, fügte sie nach ein paar Sekunden Schweigen hinzu. »Die wollten doch sterben. Sie waren bloß zu feige, es ohne Hilfe zu tun.«
    »Und Laila? Und Mirko?«, rief er. »Was ist mit den beiden?«
    Sie zuckte nur mit den Schultern.
    »Und warum überhaupt? Was haben diese Mädchen dir getan? Du kanntest sie doch gar nicht.«
    »Und ob ich sie kannte!« Der Blick, mit dem
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