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Stirb für mich: Thriller

Stirb für mich: Thriller

Titel: Stirb für mich: Thriller
Autoren: Robert Wilson
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kleine Kinder, die stur geradeaus starrten wie zwei Miniatursphinxe.
    Ein weiteres Foto präsentierte denselben Mann im Dinnerjackett, diesmal jedoch in Begleitung einer weißen Frau mit langen, dunklen welligen Haaren in einem Ballkleid, die für ihre circa vierzig Jahre recht mädchenhaft wirkte. Zwischen ihnen stand ein wunderschönes honigfarbenes Mädchen in einem langen schwarzen Kleid mit einer glitzernden Kette. Die Gravur auf der kleinen Messingplakette am Bilderrahmen lautete: Zum 21. Geburtstag von Alyshia D’Cruz . Ein Latexhandschuh strich über das Bild, ein Finger tippte auf Alyshias Unterleib. Das war die Garderobe, die der Eindringling wollte.
    Der Lichtstrahl schwenkte zu dem eingebauten Kleiderschrank. Der Mann öffnete die Türen, fuhr mit den Händen über etliche schlaff herabhängende Kleidungsstücke, bis er an einem Ende auf mehrere lange Kleider stieß, darunter, eingehüllt in die Plastikfolie einer Reinigung, auch das schwarze von dem Foto. Er legte es auf das Bett.
    Anschließend durchwühlte er die Wäschekommode neben dem Bett und legte einen halterlosen schwarzen BH und einen schwarzen Slip auf das Kleid. Dann kramte er weiter in den Schubladen, ohne zu finden, wonach er suchte. Er sah unter dem Bett nach, kroch auf allen vieren durch das Zimmer, spähte und tastete unter die Möbel. Nichts. Zuletzt wandte er sich wieder dem eingebauten Kleiderschrank zu. Sein Instinkt sagte ihm, dass sie sie eher hier als in einem Safe aufbewahren würde.
    Unter den Kleiderregalen stapelten sich Schuhkartons. Er ging sie einzeln durch, nahm die Schuhe heraus und tastete den Karton gründlich ab, bevor er die Schuhe wieder hineinstellte. Ganz unten entdeckte er ein Paar alte, angestoßene UGG -Boots mit umgeschlagenem Schaft. Er steckte die Hand hinein und fand sie. Eine schlanke Schachtel mit dem goldenen Aufdruck Asprey London , darin die Diamantenkette von dem Geburtstagsfoto. Er steckte die Schachtel ein, stellte die Boots zurück und wählte ein paar hochhackige Prada-Schuhe mit Riemchen aus, die er zu der Unterwäsche legte, bevor er alles in die Plastikfolie um das schwarze Kleid wickelte. Er sah sich ein letztes Mal im Zimmer um und ging.
    Ein saugendes Geräusch in den Ohren. Mit dem Gefühl, von einem Strudel nach unten gezogen zu werden, nur ohne sich zu drehen, und einem tiefen Atemzug wachte Alyshia auf. Eine samtene Schwärze presste gegen ihr Gesicht. Sie hob den Kopf von dem rauen Baumwollbezug des Kissens und wischte sich den Speichel aus den Mundwinkeln. Sie atmete gegen die Übelkeit an und berührte vorsichtig die Schlafmaske vor ihrem Gesicht.
    »Nicht anfassen«, sagte eine ruhige, aber gebieterische Stimme, verstärkt und verzerrt. »Hände aus dem Gesicht.«
    Sie gehorchte sofort. Als sie ihre Hände wieder an den Gummizug ihres Slips legte, spürte sie etwas an ihrem Arm: eine Kanüle. Außerdem hatte sie keine Strumpfhose an. Ihren BH trug sie nach wie vor, doch die Cartier war verschwunden, und ihre Füße waren nackt. Sie erinnerte sich daran, wie und warum sie sich vollgekotzt hatte. Ihr schauderte bei dem Gedanken an die beiden violetten Gesichter mit den hervorquellenden Augen.
    »Wie fühlst du dich?«, fragte die Stimme.
    »Mir ist schlecht und schwindlig«, sagte sie. »Und ich muss mal.«
    »Man muss sich alles verdienen.«
    »Verdienen?«
    »Ja, verdienen. Ich weiß, das ist kein Konzept, mit dem die Anspruchsgeneration vertraut ist«, sagte die Stimme. »Jetzt dreh dich auf den Rücken, leg die Hände auf den Bauch, atme tief und gleichmäßig.«
    »Ich hätte gern was anzuziehen. Mir ist kalt«, sagte sie, obwohl das nicht stimmte. Sie mochte es bloß nicht, sich so verletzlich zu fühlen.
    »Dir kann nicht kalt sein. In dem Raum hat es fünfundzwanzig Grad«, sagte die Stimme. »Hör auf zu jammern und tu, was man dir sagt.«
    »Ich möchte ein Laken.«
    »Man muss sich alles verdienen.«
    »Dann sagen Sie mir, wie ich mir diese Dinge verdienen kann.«
    »Indem du Fragen beantwortest.«
    Sie dachte darüber nach. Sie war privilegiert aufgewachsen und hatte von früh an einen natürlichen Widerwillen dagegen entwickelt, sich von anderen bestimmen zu lassen. Andererseits musste sie pinkeln. Also musste sie sich anpassen, um später aus einer komfortableren Position Widerstand zu leisten.
    »Okay, das ist für das Recht, aufs Klo zu gehen.«
    »Erzähl mir etwas, was nur deine Mutter wissen kann.«
    Diese Aufforderung erschütterte sie. Trotz ihrer Differenzen in
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