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Glauben Sie noch an die Liebe

Glauben Sie noch an die Liebe

Titel: Glauben Sie noch an die Liebe
Autoren: Jan Philipp Burgard , Justus Bender
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Herr Mahmoud und die Liebe
    Es war ein Taxifahrer in Hamburg, ein Mann mit Bierbauch, dem Foto einer Frau am Armaturenbrett und einer Koransure, die an einem Bindfaden am Rückspiegel baumelte, der uns zu diesem Buch inspiriert hat.
    An einem Novembertag, an dem graue Wolken über Hamburg hingen und Nieselregen fiel, stiegen wir in sein Taxi. Während der Fahrt führte der Mann ein Telefonat. Wie wir später erfuhren, war seine Frau am Apparat, jene Dame, deren Foto er neben seinen Fahrerausweis geklemmt hatte. Sie war eine dunkelhaarige, etwas fülligere Nordafrikanerin mit einem kleinen Leberfleck unterhalb des rechten Auges. Wir merkten schnell, dass es sich bei dem Gespräch um einen Ehekrach handelte. Die Sätze des Taxifahrers klangen wie die Antworten eines Beschuldigten, er kam kaum zu Wort. »Nein! Ich fahre Taxi, nein, ich bin nicht in der Kneipe, nein, hier sind keine Frauen, verdammt noch mal!«
    Wir gaben uns Mühe, das Gespräch zu überhören, und führten eine belanglose Unterhaltung. Als das Telefonat mitten in einem Satz abbrach, offenbar, weil die Frau aufgelegt hatte, schüttelte der Fahrer den Kopf und sagte: »Eins sage ich Ihnen: Heiraten Sie niemals! Nie!«
    Vorsichtig fragte Jan Philipp Burgard: »Ihre Frau?«
    Der Taxifahrer nickte nur und murmelte: »Diese Hexe.«
    Justus Bender hielt seinen Verlobungsring in Sichtweite des Rückspiegels und sagte: »Herr …« Auf dem Fahrerausweis am Armaturenbrett stand der Familienname Mahmoud. »Herr Mahmoud, dann müsste das Ihrer Ansicht nach ja ein Fehler sein. Das ist ein Verlobungsring.«
    Herr Mahmoud sprach jetzt ganz ruhig, fast leise. »Tun Sie das nicht. Ich weiß, was Sie denken …«
    »Was denke ich denn?«
    »Sie denken, Sie seien verliebt, aber glauben Sie mir, das geht vorbei. Ich bin schon fremdgegangen, als meine Frau mir noch treu war.«
    Der Satz hing bleischwer in der Luft. Er klang wie das traurige Ende einer einst schönen Liebesgeschichte. Herr Mahmoud, so erfuhren wir, hatte seine Frau in Marokko kennengelernt, ein schönes, schlankes Mädchen, gerade siebzehn Jahre alt, aus Marrakesch, derselben Stadt, in der er Ingenieurwesen studierte.
    »Meine Frau liebt mich nicht mehr«, fuhr er fort, »ich liebe meine Frau nicht mehr, unsere Kinder sind nach Marokko gezogen, ich bin hier, und es regnet. Heiraten Sie nicht, glauben Sie mir! Suchen Sie sich etwas Nettes hier und da, ein süßes Mädchen, das reicht. Die Liebe hält nicht bis ins Alter, sie wird so …« Herr Mahmoud zeigte auf den Himmel über Hamburg und sagte: »So grau, blass, so bäh. Verstehen Sie? Bäh!«
    Im Rückspiegel konnte man sehen, dass er interessante Augen hatte, hell, fast grau, wie die Wolken. »Sie glauben wohl nicht an die Liebe?«, fragte Jan Philipp.
    Herr Mahmoud lachte kurz, machte mit seinen Lippen ein zischendes Geräusch und schaltete das Radio ein. Es lief Musik, die, wie fast alle Musik, von der Liebe handelte, die unerfüllt bleibt und enttäuscht.
    Einen Moment lang lauschten wir alle still den Takten, dann fragte Justus: »Kennen Sie Franz Müntefering?«
    »Franz wer?«
    »Müntefering, er war Vizekanzler. Und er ist mit siebenundsechzig Jahren von seinem Amt zurückgetreten, weil er bei seiner Frau sein wollte, die sterbenskrank war.«
    »Ein Glückspilz! Ein Glücklicher!«, sagte Herr Mahmoud und lachte mit einem hässlichen Sarkasmus in der Stimme über die Geschmacklosigkeit seiner Antwort.
    »Sagen Sie das nicht. Die Liebe kann ein Leben lang halten, Herr Mahmoud, sie hält, solange man miteinander sprechen kann, so wie Sie mit Ihrer Frau.«
    Die Unterhaltung mit dem Taxifahrer war von einer Offenheit, wie es sie nur unter Fremden geben kann, die einander nicht mehr schulden als die Wahrheit. Herr Mahmoud klagte, seine Frau verzeihe ihm einen Seitensprung nicht, den er vor einem Jahr unternommen habe, in einer Seitenstraße der Reeperbahn. »Wenn einmal der Wurm drin ist, kriegst du ihn nie wieder raus!«
    Die verbleibende Fahrt entwickelte sich zu dem ehrgeizigen Versuch, dem unglücklichen Taxifahrer mit immer neuen Geschichten von Prominenten etwas Mut zu machen. Das Gespräch gipfelte in einem Vergleich seiner Ehe mit der von Bärbel Schäfer und Michel Friedman. Dieser hatte bezahlte Liebesdienste in Anspruch genommen, war in aller Öffentlichkeit beschimpft worden und schließlich von allen Ämtern und Posten zurückgetreten. Seine Lebensgefährtin Bärbel Schäfer hatte diesem Mann, der vor den Scherben seines Lebens stand und
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