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Stimmen der Nacht

Stimmen der Nacht

Titel: Stimmen der Nacht
Autoren: Thomas Ziegler
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Jahren. Wir werden den Krieg militärisch auf jeden Fall gewinnen, ihn volklich aber verlieren, wenn wir nicht zu einer ganz entscheidenden Umstellung der ganzen bisherigen Auffassungen kommen. Der blutliche Verlust ist ja nicht etwas Einmaliges, sondern er wirkt sich Jahr um Jahr bis in die fernste Zukunft hinein aus. Sollten die Toten der vergangenen Weltkriege und dieses Krieges nicht umsonst gefallen sein, müssen wir den Sieg mit allen Mitteln sichern. Das heißt, möglichst jede gesunde Frau, die dazu in der Lage ist, muß nach Kriegsende und zur Sicherung des Sieges und zur Sicherung unseres Volkes und damit aller seiner Enkel möglichst viele Kinder bekommen. Aber nur die anständigen, charaktervollen, physisch und psychisch gesunden Männer sollen sich verstärkt fortpflanzen, nicht die körperlich und geistig Verbogenen. Wenn ich in der Tierzucht genau darauf achte, daß nur zueinanderpassende Tiere miteinander verkoppelt werden, dann muß ich die für alle Säugetiere geltenden Regeln auch beim Menschen beachten. Mit anderen Worten, wir können nicht wünschen, daß eine Frau – und sei es auf dem Wege sogenannter Fernzeugung – von irgendeinem Manne Kinder bekommt. Wenn wir uns überlegen, was notwendig ist, um diese für unser Volk so lebenswichtige Frage zur erfolgreichen Lösung zu bringen, dann müssen wir uns die Lage im Einzelfall klarmachen …«
    Bormann beugte sich über seinen Spiegel, setzte das Silberröhrchen an und zog den Schnee scharf in die Nüstern.
    »Zunächst«, fuhr er heiser fort, »zunächst werden einmal viele Frauen – Mangel an Logik ist nun einmal den Frauen angeboren – die Richtigkeit im allgemeinen bejahen, im Einzelfall für ihre persönlichen Verhältnisse fanatisch ablehnen. Die öffentliche Aufklärung kann aus einleuchtenden Gründen erst nach dem Krieg einsetzen. Ich meine« – er lachte kurz –, »wir können heute noch nicht an die Frauen herantreten, deren Männer voraussichtlich noch fallen werden, und wir können unsere Aufklärung mit Rücksicht auch auf unsere Soldaten nicht beginnen; das würde ja voraussetzen, daß wir auch unsere Männer, die jetzt Soldaten sind, zunächst mit diesen Gedankengängen vertraut machen müssen, denn ohne weiteres wird es nicht jedem Soldaten erwünscht sein, wenn seine Frau oder Braut nach seinem Tode Kinder von einem anderen Manne bekommt … Diese Hemmungen müssen aber beseitigt werden, denn sonst sind die ganzen Opfer der vorigen Weltkriege und dieses Krieges umsonst gewesen, weil unser Volk den nächsten Stürmen zum Opfer fallen muß. In zwanzig oder dreißig oder vierzig oder fünfzig Jahren fehlen uns dann die Divisionen, die wir unbedingt brauchen, wenn unser Volk nicht untergehen soll …«
    Bormann beugte sich über den Tisch und funkelte Gulf eisig an.
    »Sie haben große Angst vor dem Atomkrieg, nicht wahr?«
    »Jeder vernünftige Mensch hat Angst davor.«
    »Und Sie sprechen uns diese Vernunft ab?«
    »Sie sind wahnsinnig. Sie alle hier sind wahnsinnig.« Aber er empfand nichts bei seinen Worten. In der Kälte des Felsennestes schienen seine Gefühle erstarrt zu sein.
    »Wahnsinnig«, nickte Bormann, spitzte die Lippen, spielte mit dem Kokaindöschen, dem Barockspiegel. »Sehen Sie, das ist es. Deshalb werden wir diesen Krieg gewinnen, ob wir ihn führen müssen oder nicht. Die Welt hält uns für wahnsinnig? – einverstanden! Völlig richtig, ganz klar. Wir bestätigen es jedem, der es hören will. Die Welt glaubt, daß wir bereit sind, den ganzen Planeten zu verbrennen, wenn unsere gerechte Forderung nach Rückgabe des Reiches nicht erfüllt wird? Sie hat recht, die Welt. Wir werden es tun. Wir sind zu allem entschlossen. Denn wir hier – wir werden überleben. Vierzig Jahre lang haben wir an dem Bunkersystem gebaut, das die Anden unterhöhlt. Tief genug, daß keine Bombe es zerstören kann. Eine ganze Stadt im Fels. Voller Menschen. Wertvolle Menschen. Rassisch rein, von deutschem Blut.«
    »Schöne Frauen«, sagte Barbie.
    »Blond und blauäugig«, fügte der Luftwaffengeneral hinzu.
    »Mit arischen Ärschen.« Lüstern schnupfte Mengele die Kristalle vom Spiegel.
    »Draußen werden alle sterben«, sagte Barbie.
    »Zu Asche werden«, fügte der Luftwaffengeneral hinzu.
    »Während wir überleben«, nickte Mengele und schnupfte den Schnee.
    »Wir haben genug Luft dort unten im Fels«, versicherte Bormann. »Nahrungsmittelvorräte für vier Jahre. Der Atomkrieg schreckt uns nicht. Das ist unsere Stärke
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