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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal
Autoren: Monika Kunze
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darüber, denn die schnarrende, näselnde Stimme des Sprechers hatte sie als ziemlich unangenehm empfunden. Froh war sie auch über sein sprödes Kompliment, ihr Make up war also perfekt, er hatte nichts bemerkt von ihren Tränensäcken und der aschfahlen Haut. Dankbar lächelte sie zu ihm hinüber.
    "So, Madame, jetzt gibt´s zum Abschluss noch ein bisschen deutschen Rock mit Herrn Maffay, das ist wenigstens was Reelles!"
    In dem Punkt konnte ihm Anne nicht widersprechen, denn auch sie mochte diesen Altrocker und seine Lieder. Ihre Mutter hatte sie wohl mit ihrer Schwärmerei für Maffay angesteckt. Die Musikkassetten aus dem Nachlass hatte sie sich immer wieder angehört. Manchmal war es ihr vorgekommen, als würde sie sich zu spät bemühen, ihre Eltern richtig kennenzulernen.
    Aber darin unterschied sich ihre Familie wohl nicht so sehr von den meisten anderen. So richtig trösten konnte sie dieser Gedanke allerdings auch nicht.
    "Wir sind gleich da", sagte Anne und klappte den Sonnenschutz wieder hoch.
    Dabei warf sie einen Blick in den Rückspiegel.
    Nanu? Hatten sie diesen grünen Trabant nicht schon mal überholt? Nun fuhr er hinter ihnen. Kunststück, die Geschwindigkeit musste oft gedrosselt werden, weil es immer wieder Baustellen auf der Autobahn gab. Ein Blick auf das Kennzeichen hatte ihr vorhin schon verraten, dass der Trabbi auch aus ihrem Landkreis stammte.

Schein und Sein
     
    Auf dem Flughafen herrschte das gewohnte Getümmel. Kaum jemanden schien es zu stören, schon Stunden vor dem Abflug da sein zu müssen. Viele hatten sich in den glatten Schalensitzen lang ausgestreckt und schienen zu dösen. Manche packten ihre mitgebrachten Brote aus, die wenigsten nutzten das Angebot an den einzelnen Ständen und Bars.
Kein Wunder bei den gepfefferten Preisen
, dachte Anne und biss geräuschvoll in einen Apfel.
    Amüsiert bemerkte sie, dass einige zwar so taten, als würden sie ganz konzentriert Zeitung lesen. Doch in Wahrheit galt ihr Interesse den anderen Leuten. Doch so intensiv der Herr neben ihr auch die gepflegte Dame gegenüber fixierte, jene wollte wohl einfach keine Notiz von ihm nehmen. Sie schien in das Lösen eines riesigen Kreuzworträtsels vertieft zu sein. Nicht einmal auf die Aufrufe aus den Lautsprechern ließen bei ihr eine Reaktion erkennen.
    Anne machte kein Hehl aus ihrer Neugier und schaute sich ganz unverhohlen um.
Gut, dass Dieter gleich wieder losgefahren ist
, dachte sie, er teilte wohl auch ihre Abneigung gegen große Abschiedsszenen. Außerdem entging sie unter diesen Umständen seinem forschenden Fotografenblick. Sie war sich sicher, dass er nach einer Weile selbst das perfekteste Make up durchschaut hätte. Und gerade das konnte sie jetzt am allerwenigsten gebrauchen. Dazu bedeutete ihr der Arbeitsplatz in der Redaktion zu viel. Die Spielregeln hießen nun einmal: jung, dynamisch, gesund und unendlich belastbar! Daran musste sie sich halten, wollte sie nicht ihre Entlassung riskieren. Noch zu deutlich erinnerte sich Anne, wie es drei von ihren Kollegen, drei Redakteure, erst vor kurzem eiskalt erwischt hatte. Sie hatten sich aufgeopfert, nie auf die Uhr geschaut (das tut man halt nicht, wenn die Arbeit Spaß macht), ihre Familien vernachlässigt und schließlich ihre Gesundheit ruiniert. Und Kranke waren nun einmal in dem Unternehmen nicht erwünscht. Die Fürsorgepflicht, so hatte es geheißen, gebiete es schließlich, sich von ihnen zu trennen. Anne fand es beschämend, wie um die Kündigung auch noch das kaschierende Mäntelchen der Fürsorgepflicht gehängt wurde. Jeder in der Redaktion wusste, dass es in Wahrheit nur einen Grund für diese dreifache Entlassung gegeben hat. Und der hieß: Geld. Alle drei waren nämlich auf der obersten Stufe der Tarifleiter angekommen. Wieso also sollte das Unternehmen so viel Geld für qualifizierte Fachkräfte ausgeben, wenn auch (viel preiswertere) Volontäre, (kostenlos arbeitende) Praktikanten oder (immerhin auch noch wesentlich billigere) Jungredakteure deren Arbeit verrichten konnten? Was machte es schon. wenn die Qualität dabei manchmal auf der Strecke blieb? Alles, was heute in der Tageszeitung stand, würde am nächsten Tag sowieso im Papierkorb landen. Da musste man wohl die Sorgfaltspflicht nicht so auf die Spitze treiben.
    Immer, wenn sie sich an diese Geschichte erinnerte, schämte sie sich, denn auch sie hatte alles stillschweigend mit an- beziehungsweise weg gesehen .
    Sich selbst wollte sie jedoch so einen beschämenden
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