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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal
Autoren: Monika Kunze
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mit den vor Gesundheit strotzenden Körpern und den lebensfrohen Gesichtern ihrer Eltern zu tun. Trotzdem musste sie beide noch einmal anfassen, um im nächsten Moment vor dieser kalten Glätte zurückzuweichen.
    Seitdem fühlte sich Anne meistens verlassen und einsam. Daran änderte sich auch nichts, als sie umgezogen war und es immer mal wieder bei ihr geklingelt hatte. Leute wie ihre Nachbarin Frau Hörentz kamen sie zwar besuchen, aber die Wärme und das Lachen ihrer Eltern konnte wohl niemand ersetzen.
    Als sie dann Henri kennengelernt hatte, glaubte sie zunächst wirklich, mit ihm der Einsamkeit entrinnen zu können. Doch so ehrlich sie beide ihren Versuch gemeint haben mochten, er war trotzdem - oder gerade deshalb - schon nach drei Monaten gescheitert. Sie glaubte zwar, dass Henri sie geliebt hat, doch sie hatte irgendwann seine tröstenden Worte zum Tod ihrer Eltern und seine ewigen Fragen, ob sie Schmerzen habe und ob er irgendwie helfen könne nicht mehr ertragen. Sie wollte sein Mitleid nicht, sie fürchtete es geradezu.
    Und sie wollte auch nicht länger in der großen Wohnung der Eltern wohnen bleiben, deshalb hatte sie sich diese Einraumwohnung hier am Park gesucht.
    Von den elterlichen Möbeln hatte sie auch kaum etwas mitgenommen, außer dem alten, bunt bemalten Bauernschrank und einer hellen Polsterwippe für die Füße.
    Mutter und Vater hatten ihr kein Vermögen hinterlassen, aber das Geld aus der Lebensversicherung und vom Verkauf der Möbel reichte aus, um sich die kleine Wohnung nach ihrem eigenen Geschmack einrichten zu können. Und da hatten eben keine wuchtigen, dunklen Möbel Platz, ebenso wenig wie solche aus Pressspan, die mit Hilfe von gemaserter Folie den Eindruck von Holz erwecken sollten.
    Das Packen hatte Anne lange ausgedehnt. Jedes Stück hatte sie in die Hand genommen, ein wenig von sich weg gehalten, um es zu begutachten, ob es für ihren Aufenthalt am Meer tauglich war oder nicht. So landete von den unzähligen Kleidungsstücken, die noch vor ein paar Stunden herumgelegen und ihr Zimmer wie einen Basar hatten aussehnen lassen, nur ein Bruchteil in der Reisetasche.
    Nachdem alles andere wieder in den Schränken verstaut war, sank Anne müde und zufrieden ins Bett. Die Vorfreude auf Teneriffa nahm sie mit in ihre Träume. Sie sah alles ganz genau vor sich: den schwarzen Strand, die Sonne und das Meer, hörte das Rauschen der Wellen.
    Schmerzen? In dieser letzten Nacht vor der Abreise war davon nichts zu spüren. .
    Am Tag darauf allerdings sah es zwar schon wieder ganz anders aus, aber auch da sorgten die Medikamente schließlich für schnelle Abhilfe.
     
    In der darauffolgenden Nacht träumte sie erneut, dass sie bereits auf ihrer Insel sei. Sie befand sich in einer felsigen Bucht, hörte andächtig dem Wellengang des Ozeans zu. Sie fühlte sich geborgen, ja glücklich, obwohl niemand in ihrer unmittelbaren Nähe zu sein schien. Sie genoss diese Ruhe, sie fühlte, wie wieder Kraft in ihren Körper floss. Nur von fern hörte sie das Strandgetümmel. Wohlig streckte sie sich aus und konnte die frische Brise spüren, die sanft über ihre Haut strich. Sie lag zwischen den Felsen und ließ den warmen, dunklen Sand gedankenverloren durch ihre Finger gleiten. Kein Wecker würde sie hier stören, kein Telefon klingeln im unpassenden Moment ...
    Doch, was war das? Anne schreckte hoch. Hatte doch plötzlich ein Telefon geläutet? Wo war sie, wo war der Sand, der Ozean? Wieder klingelte es. Sie konnte sich nicht so abrupt von ihrem Traum lösen, doch als es zum dritten Mal schellte, erkannte sie endlich den Ton der Klingel.
    Schlaftrunken trippelte sie zur Tür, drückte, immer noch ganz benommen, routinemäßig auf den schwarzen Knopf am Öffner und fragte müde in die Sprechanlage: "Ja, bitte, wer ist da?"
    "Was ist denn los, hast du verschlafen? Wir wollen doch in einer halben Stunde nach Dresden fahren. Ich dachte, es gibt noch einen Kaffee bei dir?!"
    Mein Gott, Dieter! Anne war plötzlich hellwach. Natürlich, es war ja schon Sonntag. Ein Blick zum Radiowecker: 5.30 Uhr! Eigentlich wollte sie schon um fünf aufstehen. Das rote Lämpchen links leuchtete nicht, also hatte sie den Alarmknopf gar nicht aktiviert. Verflixte Axt!
    "Gut, dass du da bist, ich mache dir gleich Kaffee", rief sie schnell noch in die Sprechanlage, bevor sie in die Küche eilte. Ehe er die sechs Treppen, einen Lift gab es leider immer noch nicht, erklommen hatte, konnte sie schnell noch duschen. Hastig verschwand
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