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Stille(r)s Schicksal

Stille(r)s Schicksal

Titel: Stille(r)s Schicksal
Autoren: Monika Kunze
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Rausschmiss um jeden Preis ersparen, deshalb nahm sie sich zusammen, damit aus ihrem Mund auch nicht der kleinste Klagelaut entwich. Sie wollte sich auf keinen Fall nachsagen lassen, dass andere ihre Arbeit mitmachen mussten, weil sie krank war. Nein, da biss sie doch lieber ihre Zähne zusammen. Tag für Tag verrichtete sie ihre Arbeit, auch an solchen, wenn irgend etwas in ihrem Bauch so verrückt spielte, dass sie es fast nicht ertragen konnte.
    Als hätte dieses Etwas nur auf sein Stichwort aus ihren Gedanken gewartet, ging das heftige Ziehen im Leib wieder los. Ergeben seufzend griff Anne nach ihrer Handtasche und verschwand eilig in der Damentoilette.
    Als sie zurückkam, wurde gerade ihr Flug aufgerufen. Sie begab sich mit zahlreichen anderen Leuten zum Ausgang D, stieg in den bereitstehenden Bus und kletterte erwartungsvoll die Gangway empor. Hinter ihr ging ein junger Mann, aber sie nahm keine Notiz von ihm.
    An ihrem Platz angekommen, lehnte sie sich dankbar in ihrem Sitz zurück, denn das Ziehen begann schon nachzulassen. Das waren schon richtige kleine Wunderwaffen gegen den Schmerz!
    Erfreut konnte sie an ihrem Fensterplatz staunen, wie schnell die Häuser und die Landschaft nach dem Start immer kleiner wurden. Selbst die Elbe erinnerte nur noch an eine lange, silbrig schimmernde Schlange. Hier oben schien alles unwichtig zu werden, womit sich die Menschen in der großen Stadt herumplagten. "Über den Wolken, da muss die Freiheit wohl grenzenlos sein" sang sie in Gedanken. Jetzt begann es tatsächlich noch einmal zu schneien. Aber was machte das schon? Sie flog schließlich der Sonne entgegen.
    Gespannt verfolgte sie am Monitor, wo sich der Ferienflieger gerade befand. Doch nach dem obligatorischen Fertiggericht, Nudeln, Fleisch und selbst der Salat hatten irgendwie nach Pappe geschmeckt, wurden ihr die Augenlider schwer. Schon im Halbschlaf, hörte sie jemanden sagen: "Schlafen Sie gut und träumen Sie was Schönes!"
    Was für eine Stimme! Gehört diese schon zu ihrem Traum? Sie fühlte sich jedoch zu träge, um der Sache, in diesem Falle der Stimme, auf den Grund zu gehen.
     
    Als Anne erwachte, erschrak sie. Sie musste ja Stunden geschlafen haben, denn sie hörte gerade noch, dass bis zur Landung nur noch ein paar Minuten vergehen würden. Da war auch schon wieder dieser Druck in den Ohren. Ihr Magen wollte rebellieren, aber dann gab er sich mit einem zuckerfreien Bonbon zufrieden. Endlich war auch die gefürchtete Landeprozedur überstanden, die Räder hatten leicht federnd auf der Landebahn aufgesetzt, was die Passagiere mit müdem Beifall bedachten.
    Im langgestreckten, flachen Flughafengebäude von El Medano war es angenehm kühl, die dicken Betonwände ließen keine Hitze durch. Anne griff nach ihrer Tasche, die gerade auf dem Transportband heran gerollt kam und lief einem jungen, dunkelhaarigen Mann nach, der die Gäste in verschiedene Busse einwies.
    "Kommen Sie hier herüber", forderte er nun schon zum dritten Mal zwei ältere Herrschaften auf. Der Mann und die Frau, beide trugen ein Hörgerät in den Ohren, schienen dankbar zu sein, dass sich nun endlich jemand um sie kümmerte. Ihr Lächeln wirkte trotzdem ein wenig verloren in der Menge.
    Auch Anne kam sich vor wie in einem riesigen Ameisenhaufen. Bei diesem Gewimmel, dem Schieben und Drängen dauerte es seine Zeit, bis jeder seinen richtigen Platz im richtigen Bus gefunden hatte.
    Erst, als auch das letzte Gepäckstück im riesigen Bauch des Busses verschwunden war, entspannte sich die Situation. Der höllische Lärm, hervorgerufen von aufgeregten Verständigungsversuchen in verschiedenen Sprachen, verebbte.
    Die darauffolgende Ruhe empfand Anne als angenehm, jeder schien seinen Gedanken nachzuhängen.
    Auch Carlos, er hatte sich als der Schwiegersohn des Hotelchefs vorgestellt und sich gleich darauf in den Sitz gleiten lassen, um vor sich hin zu dösen, wirkte völlig entspannt.
    Warum sollte er auch aus dem Fenster schauen, dachte Anne, er kannte hier schließlich jeden Stein und jeden Strauch. Sie selbst war zum ersten Mal auf Teneriffa und schaute erwartungsvoll aus dem Fenster. Doch, was sie sah, enttäuschte sie, denn Steine gab es unglaublich viele, ein paar vereinzelte dürre Sträucher. Aber Bäume? Sie konnte jedenfalls nirgendwo welche entdecken. Die Landschaft war karg und erinnerte sie trotz der Felsen an einen stillgelegten Tagebau in ihrer Lausitzer Heimat. Grünes war kaum zu sehen, und wenn, dann höchstens als Aufdruck
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