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Stille Wasser sind toedlich

Stille Wasser sind toedlich

Titel: Stille Wasser sind toedlich
Autoren: Charlie Higson
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wenig von sich weg und lächelte ihn an. »Jetzt müssen eben wir beide aufeinander aufpassen, du und ich.«
    »Ja«, sagte James. »Das werden wir.«
    Sie standen auf und kehrten ins Haus zurück, wo May, die Haushälterin, das Essen vorbereitete.
    »Mister James, Sie sind ja aufgestanden!«, rief sie bei seinem Eintreten erfreut. »Welche Freude für meine wunden Augen. Soll ich Ihnen das Frühstück herrichten?«
    »Ja, bitte«, sagte James. Er setzte sich an den blank polierten Holztisch.
    »Ich habe James gerade von Max erzählt«, sagte Charmian.
    »Oh. Ja«, sagte May, ohne vom Herd aufzublicken, aber daran, wie ihre Schulter heruntersackten, sah James, wie mitgenommen sie war.
    »Wann ist es eigentlich passiert?«, fragte James und stocherte mit dem Löffel in der Zuckerdose.
    »Gleich in der ersten Nacht, als du weg warst«, antwortete Charmian.
    »So schnell ist es gegangen?«
    »Wir haben dir nicht ganz offen gesagt, wie krank er in Wirklichkeit war, James.« Charmian senkte den Blick. »Ich hörte, wie er in der Nacht laut aufschrie«, fuhr sie leise fort. »Ich eilte in sein Zimmer, es muss so gegen vier Uhr morgens gewesen sein. Er lag mit offenen Augen da, so als würde er etwas Merkwürdiges sehen. Und dann schrie er erneut. Es war nur ein einziges Wort. Er schrie deinen Namen James. Es schrie ganz laut: ›James!‹ Seine Stimme war unerwartet kräftig. Dann ließ sein Herz ihn im Stich und er starb.«
    James schwieg. Er dachte nach. Vier Uhr morgens. Das war genau zu der Zeit gewesen, als er durch den Tunnel der Aale schwamm. Er erinnerte sich daran, wie er kurz davor gewesen war, aufzugeben. Aber dann hatte er diese Stimme gehört, die seinen Namen rief. Er war bestimmt nicht abergläubisch; er glaubte weder an Geister noch an irgendwelche Phantome oder Botschaften aus dem Jenseits. Dennoch überlief ihn jetzt ein Schauer und alle Haare stellten sich ihm auf.
     
    Max war zwei Tage nach seinem Tod in aller Stille zu Grabe getragen worden. In seinen Sarg hatte man seine geliebte Angel gelegt und den kleinen Gipssoldaten, den James auf dem Jahrmarkt gewonnen hatte.
    Nun, da es James etwas besser ging, organisierte Charmian einen Trauergottesdienst in der kleinen örtlichen Kirche, welche die Einheimischen und angereisten Freunde von Max gar nicht alle fassen konnte. May war mit ihrem Ehemann gekommen, ebenso Dr. Walker und Max’ Anglerfreunde: grauhaarige, rotgesichtige Männer, die in den ungewohnten Anzügen seltsam verkleidet aussahen.
    Als die Trauergäste nach dem Gottesdienst den schmalen Kirchhof verließen, entdeckte James unter ihnen Red Kelly. Er hielt ihn zurück, um mit ihm zu sprechen. Kelly trug einen Gips am Fuß und humpelte am Gehstock.
    »Ich wollte nicht mit reinkommen«, sagte er und nickte zum Gotteshaus hin. »Es war ja für die Familie und Freunde gedacht. Ich hab ihn ja eigentlich gar nicht gekannt und wollte nicht, na ja, im Weg rumstehen oder so.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte James. »Ich freu mich, dich zu sehen.«
    »Morgen reise ich ab«, sagte Kelly mit seinem typischen Schniefen. »Zurück nach London.«
    »Ich werde dich vermissen.«
    »Geht mir auch so. Schon komisch, was? Wir zwei und Freunde. Du, der feine Pinkel, und ich, ein ganz gewöhnlicher Bursche. Aber gleich als ich dich zum ersten Mal sah, wusste ich, du bist ’n prima Kerl. Wer hätte damals in King’s Cross gedacht, was so alles passieren würde. Und jetzt … Vielleicht sehen wir uns nie wieder.«
    »Wir bleiben in Verbindung«, sagte James. »Ich schreibe dir meine Adresse auf und du gibst mir deine. Wenn ich in London bin, besuche ich dich.«
    »Ich bin kein großer Schreiber«, sagte Kelly.
    »Ich auch nicht«, gab James zurück und sie lachten.
    »Wie auch immer«, fuhr Kelly fort. »Ich bin mir nicht sicher, ob’s dir da, wo ich wohne, gefällt. Ist nicht gerade das, was du gewöhnt bist. Ein Palast ist es jedenfalls nicht. Ich teile mein Zimmer mit drei meiner Brüder. Es klingt vielleicht komisch, aber ich vermisse sie. Ich war vorher ja noch nie auf dem Land. Für mich ist das nichts, zu viel freier Raum. Ich kann nicht gut schlafen, wenn ich nicht Dan und Freddie und Bill neben mir schnarchen höre.«
    Sie verließen den Kirchhof, gingen langsam die Straße entlang und bogen dann in die Auffahrt zum Cottage ein.
    »Was im Moor passiert ist …«, begann James. »Wirst du es für dich behalten?«
    »Dein Schulkamerad George hat uns so gut es ging aus der Sache rausgehalten, Kumpel. Und
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