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Stigma

Stigma

Titel: Stigma
Autoren: Michael Hübner
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fest, ohne dass es sich anhörte, als wolle er Tom trösten. »So etwas kann man gar nicht genug beschützen.«
    Tom sah, wie Mark strahlend in den Armen seiner Mutter versank. »Ja«, sagte er, »da haben Sie wohl recht.«
    Der Kommissar nahm die Mappe wieder an sich. »Ach, da wäre noch etwas«, meinte er beinahe beiläufig. »Sagt Ihnen die Zahl sechsundvierzig irgendetwas?«
    Tom überlegte kurz. »Nicht dass ich wüsste. Warum?«
    »Diese Zahl stand auf der Originalbotschaft, die wir bei der Leiche gefunden haben. Es hat fast den Anschein, als ob sie eine Art Unterschrift darstellen soll.«
    Tom schüttelte den Kopf. »Nein, tut mir leid, das sagt mir gar nichts.«
    »Hatten wir auch nicht erwartet«, sagte Dorn und legte eine Visitenkarte neben Tom auf den Tisch. »Wir unterrichten Sie sofort, wenn sich etwas Neues ergibt. Hier ist auch meine private Handynummer vermerkt. So können Sie mich jederzeit erreichen, falls Sie sich noch an weitere Einzelheiten erinnern.«
    Tom erhob sich und begleitete die Beamten in den Flur. »Vielleicht will ich das ja nach dem heutigen Tag gar nicht mehr. Mich erinnern, meine ich.«
    Dorn blieb in der Tür stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um. »Es dürfte jetzt keine Rolle mehr spielen, ob Sie das noch wollen, Herr Kessler. An dem Motiv des Täters gibt es keine Zweifel. Er will, dass Sie sich erinnern! Und er wird nicht aufhören, bis er erreicht hat, was er bezweckt.«
    Tom sah zu, wie die Beamten in ihren Wagen stiegen und die geschwungene Auffahrt hinunterfuhren, bis sie in dem angrenzenden Wald verschwunden waren. Dann hastete er ins Wohnzimmer zum Telefon und tippte die Nummer ein, die ihm so vertraut war. Kurz darauf meldete sich die Sprechstundenhilfe.
    »Tom Kessler hier. Ist Dr. Westphal zu sprechen?«
    »Hallo, Herr Kessler«, antwortete die Frauenstimme. »Sie haben Glück. Im Moment hat sie keinen Patienten. Ich stelle Sie durch.«
    Einige Sekunden lang hörte er leise beruhigende Musik in der Leitung, dann ein Knacken.
    »Hallo, Tom«, begrüßte ihn eine raue, aber trotzdem weibliche Stimme. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Hallo, Dr. Westphal«, antwortete Tom erregt. »Ich weiß, wir haben uns erst letzte Woche gesehen, aber ich brauche für morgen dringend einen Termin. Es ist etwas geschehen, worüber ich unbedingt mit Ihnen reden muss.«
    Eine kleine Pause trat ein.
    »Immer mit der Ruhe, Tom.« Er hörte das Klacken einer Computertastatur. »Sie sind anscheinend sehr aufgeregt und bringen da etwas durcheinander. Sie waren letzte Woche nicht bei mir.«
    »Was?«, stieß Tom verwirrt hervor. Seit nunmehr vier Jahren war Dr. Westphal seine Therapeutin, und er hatte noch nie eine Sitzung verpasst. »Aber ich weiß doch genau, dass ich …«
    »Nein, Tom. Sie müssen da etwas verwechseln. Ihr Termin wurde abgesagt.«
    Eine weitere Pause trat ein, während Tom ausdruckslos die Wand seines Wohnzimmers anstarrte. »Ach ja … natürlich«, stammelte er ratlos. »Das hatte ich völlig vergessen.«
    »Ist alles in Ordnung, Tom?«
    »Ja, ich hatte da wohl tatsächlich etwas verwechselt. Mein Fehler.«
    »Kommen Sie morgen früh gegen neun Uhr in die Praxis. Ich nehme Sie gleich als Ersten ran«, sagte sie, ein wenig besorgt. »Dann sprechen wir in Ruhe über alles.«
    »Danke.« Tom legte auf. Noch eine ganze Weile ließ er die Hand auf dem Hörer liegen. Er will, dass Sie sich erinnern, rief er sich die Worte des Kommissars ins Gedächtnis. Und er wird nicht aufhören, bis er erreicht hat, was er bezweckt.
    Es würde weitere Botschaften geben. Weitere Morde. Obwohl es angenehm warm im Raum war, begann er zu frieren. Zitternd setzte er sich auf den Boden und schlang die Arme um seine Knie.
    Abgesagt! Immer wieder hallte das Wort durch seinen Kopf. Doch sosehr er sich auch bemühte, er konnte sich nicht daran erinnern, wo er an diesem Tag gewesen war.
Nächster Tag
     

Dienstag, 16. Mai
     
     
     
     
     
    D as ist ja nicht zu fassen!«, sagte sie aufgebracht, nachdem Tom ihr die Ereignisse des Vortages geschildert hatte. Dr. Westphal saß an ihrem mahagonifarbenen Schreibtisch, auf dem neben einem Flachbildmonitor nur ein paar Schreibutensilien und ein in Leder gebundener DIN-A 4-Block ihren gewohnten Platz einnahmen, und hielt das Blatt Papier in der Hand, dessen Botschaft Tom am Tag zuvor in die Vergangenheit katapultiert hatte. »Wer in Gottes Namen denkt sich so etwas Grausames aus, nur um Sie damit aus der Reserve zu locken?« Der Ausdruck in ihren
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