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Stets zu Diensten

Stets zu Diensten

Titel: Stets zu Diensten
Autoren: P. G. Wodehouse
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ebenfalls jeden jungen Mann mit äußerstem Respekt betrachtet, dem man es von der Entfernung ansehen konnte, wie treffsicher er einen Schlag von links oben nach rechts unten – oder umgekehrt – landen konnte. Ein spitzfindiger Kritiker hätte beim Anblick von Reverend Cuthbert vermutlich geäußert, daß ein Diener Gottes nicht unbedingt das Aussehen eines Boxers der Schwergewichtsklasse haben sollte, denn sein schwerer Körper und seine breiten Schultern erweckten in jedem Menschen ein Gefühl von Schrecken. Gleichzeitig mußte aber auch jeder seine Ehrlichkeit und Einfachheit lieben. Lord Ickenham betrachtete sein verbotenes Äußeres und erforschte seine sanfte Seele, wobei er zur Überzeugung kam, daß seine kleine Myra eine richtige Entscheidung getroffen hatte.
    Die beiden führten ein angenehmes Gespräch, doch schon nach den ersten paar Sätzen fiel es Lord Ickenham auf, daß dieser junge Diener Gottes äußerst nervös wurde. Der Grund dafür war nicht schwer zu erraten. Es waren bereits mehr als zwanzig Minuten vergangen, aber von der künftigen Braut war nichts zu sehen; und nichts kann die Moral eines Bräutigams an seinem Hochzeitstag so untergraben, als das Nichtauftauchen des Partners.
    Zehn Minuten später stand Bill auf. Seine liebenswerte Gestalt drückte Angst aus.
    »Ob sie nicht kommt?«
    Lord Ickenham versuchte, ihn mit der völlig irrigen Bemerkung zu trösten, daß es noch früh an der Zeit wäre. Pongo, der ebenfalls hilfsbereit sein wollte, bot sich an, auf die Straße hinauszugehen und sich umzublicken, ob er von ihr eine Spur entdecken könnte. Als er den Raum verließ, ertönte hinter ihm ein tiefes Stöhnen von dem leidenden jungen Mann.
    »Ich muß sie beleidigt haben!«
    Lord Ickenham runzelte mitfühlend, aber etwas verwirrt die Stirn.
    »Ich glaube, ich verstehe Sie nicht. Sie beleidigt haben? Wie denn?«
    »Als ich mit ihr am Telefon sprach. Wissen Sie, ich war von ihrer Idee nicht ganz überzeugt. Es erschien mir irgendwie nicht richtig, daß sie diesen so wichtigen Schritt ohne jegliche Überlegung tun wollte. Ich kann ihr doch so wenig bieten. Ich wollte lieber so lange warten, bis ich ein Vikaramt bekomme.«
    »Ich verstehe. Sie hatten Bedenken?«
    »Ja.«
    »Haben Sie ihr das gesagt?«
    »Nein; aber meine Stimme muß irgendwie merkwürdig geklungen haben, denn sie fragte mich, ob ich mich nicht freue.«
    »Worauf Sie antworteten …?«
    »Doch, schon.«
    Lord Ickenham schüttelte den Kopf.
    »Da hätten Sie besser reagieren sollen. Oder haben Sie gesagt ›doch, sch – o-o-o-n!‹ wobei Sie das ›schon‹ besonders betonten und in die Länge zogen? Freudig, wenn Sie verstehen, was ich meine, und mit einem besonderen Klang in der Stimme?«
    »Ich fürchte, so hat es nicht geklungen. Wissen Sie …«
    »Ich verstehe. Sie hatten Bedenken. Da sprach eben der Geistliche aus Ihnen. Gegen diesen Zug müssen Sie ankämpfen. Glauben Sie, daß Young Lonchivar solche Skrupel kannte? Sie kennen doch das Gedicht über Young Lonchivar?«
    »O ja; als Kind mußte ich es immer aufsagen.«
    »Ich auch, und ich bekam sogar Applaus dafür, obwohl manche Kritiker sagten, daß mir ›It wath the schcooner Hesperuth that thailed the thtormy shea‹ mehr läge. Mir fehlten nämlich damals etliche Vorderzähne. Aber trotz dieser Skrupel sind Sie zum Standesamt gekommen?«
    »Ja.«
    »Und ich habe den Eindruck, daß Sie nichts sehnlicher wünschen, als daß der Beamte die Trauung vollzieht.«
    »Ja.«
    »Sie haben sämtliche Bedenken überwunden?«
    »Ja.«
    »Ich verstehe. Ich habe dasselbe getan. Wenn ich mich an diese Bedenken erinnere, die ich zu meiner Zeit überwinden mußte, dann hätten diese – aneinandergereiht – von London bis Glasgow gereicht. Ah, Pongo«, sagte Lord Ickenham, als sein Neffe in der Türe erschien. »Etwas zu berichten?«
    »Gar nichts. Kein einziges weibliches Wesen, so weit das Auge reicht. Weißt du, was mir eingefallen ist, Bill, als ich den Horizont absuchte.«
    »Wahrscheinlich genau dasselbe, was mir eben eingefallen ist«, sagte Lord Ickenham. »Du hast daran gedacht, daß Lady Constance vermutlich ihre Meinung geändert hat und nicht zum Friseur nach Shrewsbury gefahren ist.«
    »Sehr richtig. Und wer ist bei ihr zuhause – die Puppe …«
    Bills mächtige Gestalt drückte Mißfallen aus.
    »Ich wäre dir dankbar, wenn du sie nicht Puppe nennen wolltest.«
    »Unter Lady Constances Fittichen kann dein Kätzchen natürlich nicht hierher kommen. Du wirst
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