Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterntagebücher

Sterntagebücher

Titel: Sterntagebücher
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
schließlich Tichys Widerstand zu brechen vermochten. Bei dieser Gelegenheit wird obendrein die Ursache klar, warum es in der Numerierung der Sternreisen gewisse Lücken gibt. Erst nach dem Studium dieser Ausgabe wird der Leser begreifen, weshalb es nicht nur niemals eine erste Reise I. Tichys gegeben hat, sondern auch warum es sie nicht geben konnte, und wenn der Leser auf diese Weise seine Aufmerksamkeit geschärft hat, wird er verstehen, daß die Reise, die als die einundzwanzigste bezeichnet wird, gleichzeitig auch die neunzehnte ist. Zwar wird ihm die Orientierung nicht leichtfallen, denn der Autor hat die letzten siebzig Zeilen der Handschrift in diesem Dokument gestrichen. Weshalb? Wiederum durch seine unsagbare Bescheidenheit. Ich darf das Siegel des Schweigens, das mir auferlegt wurde, nicht brechen, aber man hat mir wenigstens gestattet, einen kleinen Rand des Schleiers zu lüften. I. Tichy hat, als er sah, wozu die Versuche der Ausbesserung der Vorgeschichte und der Geschichte führen, in seiner Stellung als Direktor des Temporalen Instituts etwas getan, was schließlich bewirkt hat, daß es nicht zur Entdeckung der Theorie der Zeitvehikel und des Transports in der Zeit gekommen ist. Da auf sein Betreiben hin diese Entdeckung wieder »zugedeckt« wurde, sind das Programm der Telechronischen Ausbesserung der Geschichte, das Temporale Institut und leider auch I. Tichy selbst als sein Direktor verschwunden. Der Schmerz, den dieser Verlust verursacht, wird teilweise durch den Umstand gemildert, daß wir wenigstens keine unangenehmen Überraschungen von seiten der Vergangenheit zu befürchten haben, andererseits aber auch durch die verblüffende Tatsache, daß der tragisch Verstorbene weiterhin lebt, obwohl er keinesfalls auferstanden ist. Da wir einräumen müssen, daß die Einzelheit ziemlich eigenartig ist, verweisen wir den Leser zur Aufklärung auf die einschlägigen Stellen, das heißt auf die zwanzigste und die einundzwanzigste Reise.
      Indem ich schließe, möchte ich die Entstehung einer besonderen futurologischen Zelle in unserer Vereinigung ankündigen, die im Einklang mit dem Geist der Zeit und in Anlehnung an die Methode der sogenannten Selbstrealisierung der Prognosen auch die Sternreisen I. Tichys bearbeiten wird, die er nicht unternommen hat und auch nicht zu unternehmen beabsichtigt.

    Prof. A. S. Tarantoga
    für die
Vereinigten Institute der Tichologie, der
Tichographie und der beschreibenden,
vergleichenden und prognostischen Ti
chonomik.

    Aus den Sterntagebüchern Ijon Tichys

    SIEBENTE REISE

    Als ich am Montag, dem zweiten April, in der Nähe der Betelgeuze vorüberflog, durchschlug ein Meteor, kaum größer als eine Bohne, die Panzerung und zertrümmerte den Hubregulator und einen Teil der Steuerung, wodurch die Rakete ihre Manövrierfähigkeit einbüßte. Ich zog den Raumanzug an, stieg auf die Oberfläche der Rakete und versuchte, die Vorrichtung zu reparieren, aber ich erkannte bald, daß ich die Hilfe eines zweiten Menschen benötigte, um die Reservesteuerung festzuschrauben, die ich umsichtigerweise mitführte. Die Konstrukteure hatten das Raumschiff so unsinnig projektiert, daß jemand mit dem Schlüssel den Schraubenkopf festhalten mußte, während ein anderer die Schraubenmutter anzog. Zunächst nahm ich mir das nicht sonderlich zu Herzen und verbrachte ein paar Stunden damit, den einen Schlüssel mit den Füßen festzuhalten, während ich am anderen Ende die Mutter mit der Hand anzuziehen versuchte. Jedoch die Mittagszeit verstrich, und meine Mühen erbrachten kein Ergebnis. Einmal wäre es mir fast gelungen, doch da sprang der Schlüssel unter meinem Fuß weg und segelte in den Weltraum davon. So hatte ich denn nicht nur nichts ausgebessert, sondern obendrein noch ein wertvolles Werkzeug verloren und mußte tatenlos zusehen, wie es sich entfernte und vor dem Hintergrund der Sterne immer kleiner wurde.
      Nach einiger Zeit kehrte der Schlüssel in einer gedehnten Ellipse zurück, aber er kam, obwohl er ein Trabant des Raumschiffs geworden war, nicht so nah heran, daß ich ihn greifen konnte. Ich ging also in das Innere der Rakete zurück, nahm einen bescheidenen Imbiß ein und überlegte dabei, wie ich aus dieser dummen Situation herauskommen könnte. Das Raumschiff flog unterdessen mit immer größerer Geschwindigkeit geradeaus weiter, denn der verdammte Meteor hatte mir auch den Hubregulator zerstört. Auf meinem Kurs lagen zwar keine himmlischen Körper, aber diese
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher