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Sternstunden des Universums

Sternstunden des Universums

Titel: Sternstunden des Universums
Autoren: Harald Lesch
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eines U235-Kerns entstanden ist. Mit anderen Worten: Ursache für die ungewöhnliche Anreicherung der Neodymisotope ist die Spaltung von U235-Atomen. Ausgenommen davon ist nur das Isotop Nd142, denn der Zerfall des Bariumisotops Ba142 setzt sich nicht bis zu Nd142 fort, sondern endet bereits bei Ce142, einem Isotop des Elements Cer. Zwar zerfällt auch Ce142 zu Nd142, da aber dessen Halbwertszeit rund 50 Billiarden Jahre beträgt, hat sich in der vergleichsweise kurzen Zeitspanne von ca. 2 Milliarden Jahren praktisch nichts getan.

    Abb. 4: Natürlicher prozentualer Anteil der Isotope des Elements Neodym im Vergleich zum Gehalt im Erz der Oklo-Mine.
    Fazit: Der geringe Anteil von 0,7171 Prozent an U235 im Oklo-Erz muss als das Ergebnis einer nuklearen Kettenreaktion gesehen werden, die einst in der Oklo-Mine stattgefunden hat. Wie aber hat dieser natürliche Reaktor ausgesehen, und wie hat er funktioniert? Selbstverständlich hat sich die Natur keine Gedanken über den Aufbau des Reaktors gemacht. Was sich da vor etwa 2,5 Milliarden Jahren im Erdzeitalter des Proterozoikums zusammenzufügen begann, geschah zufällig und wird von den Geologen wie folgt erklärt: Zunächst lagerten sich in einem ehemaligen Flussdelta wässrige Sedimente ab. In Spuren vorhandenes Uran wurde durch den Einfluss von atmosphärischem Sauerstoff und Wasser zu einem an Uranoxid reichen Schlamm zusammengeschwemmt und den Ablagerungen beigemischt. Später ließen geologische Prozesse das gesamte Becken einige hundert Meter absinken, wobei die Sedimentschichten zu Sandstein verdichtet wurden. Weiteres Material überhäufte den »Aufbau« und schützte so die gesamte »Konstruktion« vor der Verwitterung. Kurz darauf hob sich der Granituntergrund einseitig und kippte das Gebilde um 45 Grad zur Seite. Die Schichten zerbrachen, Wasser drang in die Risse und formte in dem porösen Sandstein von feinen Kanälen durchzogene, fünf bis zwanzig Meter lange und bis zu zwei Meter breite, mit einem Anteil von etwa 50 Prozent an nahezu reinem Uranoxid angereicherte Lagen (Abb. 5).

    Abb. 5: Eine der 16 Reaktionszonen des Oklo-Reaktors. Das gelblich erscheinende Gestein enthält Reste des ursprünglichen Uranoxids.
    Damit waren die Voraussetzungen für nukleare Kettenreaktionen im Uran gegeben. Die Schichten waren dick genug, um nicht alle bei einer Kernspaltung frei werdenden Neutronen entkommen zu lassen, und das Wasser in den uranhaltigen, porösen Sandsteinlagen konnte als Moderator dienen. Jedoch: So hat es nicht funktioniert. Um in Natururan mit einer U235-Konzentration von 0,7202 Prozent eine Kettenreaktion zum Laufen zu bringen, ist eine spezielle Form von Wasser nötig, die man auch als »schweres Wasser« bezeichnet. Da dieses im Gegensatz zu normalem Wasser ein deutlich schlechterer Neutronenabsorber ist, stehen nach jeder Kernspaltung mehr Neutronen für weitere Spaltprozesse zur Verfügung. Chemisch unterscheidet sich schweres Wasser nicht von normalem, physikalisch besteht jedoch ein großer Unterschied. Während das normale Wassermolekül (H 2 O) aus einem Sauerstoff- und zwei Wasserstoffatomen gebildet wird, setzt sich das Molekül des schweren Wassers (D 2 O) aus einem Sauerstoff- und zwei Deuteronen zusammen. Deuteronen sind Isotope des Wasserstoffs. Im Gegensatz zu dem aus nur einem Proton bestehenden Kern des Wasserstoffatoms sind die Atomkerne der Deuteronen aus einem Proton und einem Neutron zusammengesetzt und praktisch doppelt so schwer wie ein Wasserstoffatom. Da auf der Erde Wasserstoff rund 7000-mal häufiger anzutreffen ist als Deuterium, ist schweres Wasser ein vergleichsweise rarer »Stoff«. Zwar gelingt es heute, schweres Wasser mittels Elektrolyse anzureichern, als natürlicher Moderator in einem vorgeschichtlichen Reaktor kam es jedoch nicht infrage.
    Mit einem Gehalt von 0,7202 Prozent U235 und normalem Wasser als Moderator wäre der »Reaktor« unterkritisch geblieben. Erst ab einem Anteil von mindestens 1 Prozent U235 am gesamten Uran kommt – auch mit normalem Wasser als Moderator – eine stabile Kettenreaktion in Gang. Doch woher das zusätzliche U235 nehmen? Wieder hilft ein Blick auf die Nuklidkarte. Uran 235 ist radioaktiv und zerfällt zu Thorium. Früher gab es also mehr U235 als heute. Kennt man die Halbwertszeiten von U235 (T H = 704 Millionen Jahre) und U238 (T H = 4468 Millionen Jahre), so kann man, ausgehend von den heutigen Werten, zurückrechnen, wann der Anteil an U235 1 Prozent betrug. Das war vor rund
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