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Sternstunden des Universums

Sternstunden des Universums

Titel: Sternstunden des Universums
Autoren: Harald Lesch
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400 Millionen Jahren. Noch früher, vor 1,8 Milliarden Jahren, betrug der Anteil an U235 sogar 3,1 Prozent. Beste Voraussetzungen also für eine nukleare Kettenreaktion. Fehlte nur noch das als Moderator dienende Wasser. Berechnungen haben ergeben, dass in das poröse Gestein etwa 6 Prozent Wasser eingesickert sein mussten, damit die entsprechende moderierende Wirkung einsetzen konnte. Damit waren im von der Natur errichteten »Oklo-Aufbau« alle Bedingungen für den Betrieb eines Kernreaktors erfüllt. Die Neutronen, die schließlich die ersten Kerne spalteten und die Kettenreaktion einleiteten, stammten entweder aus Zusammenstößen von Teilchen der kosmischen Strahlung mit den Molekülen der Atmosphäre, oder – wahrscheinlicher – sie wurden bei einem sich gelegentlich ereignenden spontanen Zerfall von U238, beispielsweise zu Xenon und Strontium, frei. Ein natürlicher Kernreaktor war entstanden.
    Nach heutigen Erkenntnissen hat dieser Reaktor nicht kontinuierlich gearbeitet. Vielmehr dürfte er nach einer relativ kurzen aktiven Phase – Quellen sprechen von etwa einer halben Stunde – erloschen sein, um dann, nach einer Erholungszeit von etwa zweieinhalb Stunden, wieder anzuspringen. Die Erklärung dafür ist einfach. Nach Expertenmeinung betrug die thermische Leistung des Reaktors rund 100 Kilowatt. Aufgrund der geringen Wärmeleitfähigkeit des Sandsteins reichte das, um das darin enthaltene Wasser bis auf Siedetemperatur zu erhitzen. Als das Wasser zu verdampfen begann, änderte sich das Verhältnis von Moderator zu Brennstoff, und immer weniger der bei der Kernspaltung frei werdenden schnellen Neutronen wurden auf die erforderliche thermische Geschwindigkeit abgebremst. Folglich brach die Kettenreaktion zusammen, noch ehe das ganze Wasser verdampft war. In der anschließenden Regenerationsphase kühlte das Gestein ab, und neues Wasser sickerte durch die feinen Kanäle in die Reaktorzone. War schließlich wieder eine Konzentration von rund 6 Prozent Wasser erreicht, zündete die Kettenreaktion erneut.
    Entsprechend diesem Rhythmus hat der Reaktor mehrere 100000, vielleicht sogar 800000 Jahre lang funktioniert. Dabei wurden rund sechs Tonnen U235 verbraucht und eine Energiemenge von etwa 15000 Megawattjahren frei, so viel, wie das Kernkraftwerk Isar II in zehn Jahren bei ununterbrochenem Betrieb erzeugt. Nachzutragen ist noch, dass es sich bei dem Oklo-Reaktor nicht um einen monolithischen Reaktorblock gehandelt hat, sondern dass insgesamt 16 eng benachbarte, aber voneinander separierte Reaktionszonen zusammengewirkt haben.
    War Oklo der einzige naturgeschaffene Reaktor? Diese Frage hat die Wissenschaftler nicht ruhen lassen. Hunderte von Uranerzproben vornehmlich aus Afrika, Australien sowie Nord- und Südamerika wurden gesammelt und untersucht. Dabei wurden ausschließlich Proben berücksichtigt, die älter als 600 Millionen Jahre waren und für die man für die Zeit davor einen Anteil an U235 von mindestens 1 Prozent errechnet hatte. Außerdem mussten sie aus einer Lagerstätte mit einem Urangehalt von mindestens 20 Prozent und einem Volumen von wenigstens 1 Kubikmeter sowie einer Dicke von nicht unter 20 Zentimetern stammen. Trotz aller Anstrengungen konnte bis heute kein Hinweis auf einen weiteren natürlichen Kernreaktor gefunden werden.
    Damit könnte das Kapitel beendet sein. Andererseits, es lohnt sich, Oklo nochmals aus der Perspektive der Endlagerung radioaktiver Abfälle zu betrachten. Was an mehr oder weniger langlebigen und gefährlichen Radionukliden beim Betrieb eines Kernreaktors anfällt, ist eine ganze Menge. Insbesondere sind das die bei der Spaltung der Kerne entstehenden »Bruchstücke«, beispielsweise Iod 129 und Iod 131, Cäsium 137 oder auch Strontium 90. Andere Radionuklide wie die Plutoniumisotope Pt239 und Pt241 oder Neptunium 237 entstehen nicht durch Spaltprozesse, sondern werden im Reaktor erst erbrütet. Auch der Einfang von Neutronen kann einen zunächst nicht radioaktiven in einen radioaktiven Atomkern umwandeln. Ein Beispiel dafür ist das Isotop Cobalt 60, das aus Cobalt 59 hervorgeht und das in der Medizin zur Bestrahlung von Tumoren eingesetzt wird. Auch nicht verbrauchtes Uran 235 und Uran 238 zählen zu den strahlenden Abfällen. Natürlich sind diese radioaktiven Isotope mittlerweile größtenteils zu stabilen Isotopen zerfallen und heute kaum mehr nachzuweisen. Aber aus einem Vergleich der natürlichen mit den vorgefundenen Isotopenverhältnissen lassen sich
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