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Sternstunden des Universums

Sternstunden des Universums

Titel: Sternstunden des Universums
Autoren: Harald Lesch
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Kant hat in seiner Kritik der reinen Vernunft dazu sinngemäß gesagt: Schicksal der menschlichen Vernunft ist es, mit derartigen (also metaphysischen) Fragen belästigt zu werden, mit Fragen, die sie nicht abweisen kann, da sie ihr durch die Natur der Vernunft selbst aufgegeben sind. Aber sie kann sie nicht beantworten, denn sie übersteigen alles Vermögen der menschlichen Vernunft. In diesem Sinne sind die modernen Naturwissenschaften für Fragen, denen ein »Warum« voransteht, der falsche Adressat.
    Wie ein Magier uns immer wieder in Erstaunen versetzen kann, so präsentiert uns auch das Universum ungewöhnliche Objekte und verwirrende Vorgänge. Da gibt es Sterne, die sich regelmäßig aufblähen und wieder zusammenziehen und dabei ihre Leuchtkraft periodisch ändern. Oder aus den Tiefen des Alls erreicht uns urplötzlich ein nur Sekunden andauernder Strahlungsblitz, der mehr Energie transportiert, als unsere Sonne während ihres rund zehn Milliarden Jahre langen Sternenlebens erzeugt. Und es gibt Sterne, die einige zehntausend Male leuchtkräftiger und heißer sind als unsere Sonne. Einige sind so groß, dass selbst der Mars darin verschwinden würde, könnte man sie an die Stelle der Sonne setzen. Auch die Tatsache, dass das Element Kohlenstoff, der Grundbaustein allen Lebens, in ausreichender Menge im Universum vorkommt, verdankt sich im Grunde einem glücklichen Zufall.
    All das hat nichts mit einem Wunder zu tun. Und dennoch, die Phänomene sind höchst verwunderlich. In den folgenden Kapiteln wollen wir einige merkwürdige Objekte und bizarr erscheinende Vorgänge vorstellen. Meist hat es die Astrophysiker viel Mühe gekostet, zu verstehen, was sich da tut. Nicht immer ist alles klar. Noch immer bedürfen viele Theorien einer Bestätigung durch Experiment oder Beobachtung. Der Faszination tut das jedoch keinen Abbruch (Abb. 1).

    Abb. 1: Illusion oder Wirklichkeit? – Nicht immer fällt die Entscheidung leicht. Die Natur konfrontiert uns stets aufs Neue mit irrational erscheinenden Vorgängen. Nicht selten bedarf es jahrelanger Forschung, um die Phänomene zu entzaubern.

Kapitel 1
    Reaktortechnik à la nature
    Die älteren Leser erinnern sich vielleicht noch an die Anti-Atomkraft-Demos in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Der »Schlachtruf« der Atomkraftgegner lautete damals »Atomkraft? Nein Danke«. Doch alle Proteste waren vergeblich. Bis 2004 wurden in Deutschland rund 110 Atomreaktoren zur Stromerzeugung und zu Forschungszwecken geplant. Nicht alle wurden fertiggestellt. Einige sind über das Planungsstadium nicht hinausgekommen, wurden nicht zu Ende gebaut oder nie in Betrieb genommen, viele sind mittlerweile stillgelegt worden. Anfang des Jahres 2011 waren 17 Kernkraftwerke mit einer Gesamtleistung von rund 20 Gigawatt am Netz. Angesichts des unvermeidbaren Risikos, durch einen Unfall in einem AKW ganze Landstriche radioaktiv zu verseuchen, und unter dem Eindruck des Reaktorunglücks im Kernkraftwerk Fukushima (Japan) im März 2011, bei dem es in mehreren Reaktorblöcken zu einer Kernschmelze kam, hat man in Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen. Bis jedoch Wind- und Solarkraftwerke die Lücke schließen, dürfte noch einige Zeit vergehen.
    Ob sich Atomkerne spalten lassen, war lange Zeit umstritten. Am 17. Dezember 1938 erbrachte der deutsche Chemiker Otto Hahn schließlich den Beweis. Zusammen mit Fritz Straßmann konnte er zeigen, dass der schwere Kern des Elements Uran in leichtere Elemente »zerplatzen« kann. Was hatte Hahn gemacht? Er hatte Uran mit Neutronen beschossen und mithilfe komplizierter chemischer Analyseverfahren die Elemente Barium und Krypton als Spaltprodukte nachgewiesen. Kurz darauf, am 6. Februar 1939, lieferte schließlich Hahns Kollegin Lise Meitner die Theorie zu diesem Experiment. Sie konnte erklären, wie es zu diesen Reaktionsprodukten gekommen war: durch Kernspaltung von Uran. Dass für diese Entdeckung allein Otto Hahn mit dem Nobelpreis geehrt wurde, kann man durchaus als ungerecht empfinden.
    Doch zurück zum Uran. Wie bei allen Elementen besteht auch ein Uranatom aus einem Atomkern mit einer ihn umgebenden Elektronenhülle. Der Kern wiederum setzt sich zusammen aus sogenannten Nukleonen, den Protonen und Neutronen. Beim Uran sind es 92 Protonen und, je nach Uranisotop, 142, 143 oder 146 Neutronen. Die Atomkerne der Isotope eines Elements haben demnach immer gleich viele Protonen, sie unterscheiden sich aber in der Zahl der
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