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Sternenstaub im Kirschbaum

Sternenstaub im Kirschbaum

Titel: Sternenstaub im Kirschbaum
Autoren: Thariot
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wieder beschießen lassen würde, dann nur für Leute, die ausreichend Trinkgeld gaben.
    Daher stand sie jetzt vor einem Spiegel und machte sich für die Arbeit fertig. Die falschen Fingernägel waren perfekt und das Rot des Lippenstiftes hatte sogar etwas Lasterhaftes. Kaliber 223 Remington, feixte ihr Ohrbewohner, der sich heute besonders streitbar gab, während sie noch ihre Wimpern in Form brachte. Ein derartiges Kaliber, abgefeuert aus einem M16A4 Sturmgewehr, hinterließ üblicherweise andere Spuren. Womit der kleine Besserwisser nicht ganz unrecht hatte, der enorme hydrostatische Druck von Hochgeschwindigkeitsgeschossen hätte ihren Nacken auf kurze Distanz auch schlicht und ergreifend platzen lassen können, wenn, ja wenn nicht dieser wohlbeleibte Ziegenhirte vor ihr gestanden und mit seinen Rundungen das Schlimmste verhindert hätte. Wie wohl sein Name gewesen war? Der Pechvogel hatte die Verletzungen natürlich nicht überlebt, sein Hintern explodierte vor ihren Augen. Alles war voll Blut und Exkrementen. Nicht dass es um den Fettsack schade gewesen wäre, sein Gestank hatte ihr auf zwanzig Meter die Tränen in die Augen getrieben, und bei der Visage war sich Lea zudem sicher, dass seine Eltern Geschwister gewesen sein mussten. Nur, trotzdem hätte er nicht sterben brauchen, sie hätte ihn gerne noch einige weitere Jahre friedlich seine Schafe hüten lassen. Kein Mensch sollte grundlos sterben, nur weil er sich zur falschen Zeit am falschen Ort befand. Den Soldaten, der dem Ziegenhirten den zweiten Anus verpasst und sie dabei versehentlich angeschossen hatte, wollte sie später noch zur Rechenschaft ziehen lassen. Was mit das Dümmste war, das ihr jemals eingefallen war, oder zumindest genauso dämlich wie die Entscheidung, sich in dieses Land am Ende der Welt entsenden zu lassen. Der kommandierende Offizier vermittelte ihr damals äußerst eindrücklich, dass in Afghanistan alliierte Interessen höher im Kurs standen als perforierte Ziegenhirten. Ihr kleiner Mann im Ohr ritt, mit einem Cowboyhut wedelnd, auf einem Schaf in den Sonnenuntergang und sang aus voller Brust, Country roads, take me home to the place I belong, country roads, West Virginia, Mountain Mama, take me home, country roads, wofür Lea ihn am liebsten mit einer Schrottflinte von dem hoppelnden Wollknäuel geschossen hätte .
    Sie sollte sich auf andere Gedanken bringen, die leidigen Erinn erungen saßen zu tief, um mit ihnen abzuschließen. Ihre kurzen blonden Haare waren schnell in Form gebracht und auch die Schussnarbe würde nun keiner mehr sehen können. Leas Mutter hatte immer gewollt, dass sie Tänzerin werden sollte, die Figur hatte sie dafür, nur… eigentlich fiel ihr gerade kein Grund ein, nicht Tänzerin geworden zu sein. Bestimmt hatte es einmal einen gegeben.
    Sie verließ das Bad, nackt, ein kurzer Blick durch den Raum, zur Tür und zum Fenster. Alles war dort, wo es sein sollte. Mit g eschlossenen Augen hielt sie kurz inne, nur der Nachrichtensprecher im Fernsehen spulte sein übliches Programm ab.
    Die Bundeskanzlerin dankt dem Konsortium der internationalen Energiewirtschaft für deren besonderes Engagement zum sich eren weltweiten Ausstieg aus der Atomenergie.
    Lea war alleine, das war auch gut so. Das Handtuch in ihrer Hand brauchte sie nicht mehr, sie ließ es zu Boden fallen und legte die Pistole auf das Bett.
    Dank der beispiellosen Gesetzgebung, die, in der EU, den USA und China ratifiziert, zu Beginn nächsten Jahres in Kraft treten wird, ist in Partnerschaft mit der Industrie ein wegweisender Durchbruch zur umweltschonenden und sicheren atomaren Energiegewinnung bis 2046 gelungen.
    Leas Gedanken driften wieder ab, besondere Situationen erfo rdern besondere Maßnahmen, eine der wenigen Weisheiten, die sie aus ihrer Ausbildung mitgenommen hatte. Die Schinderei würde sie in hundert Jahren nicht vergessen, fast zwölf Jahre war sie bei diesem Verein. Paul hatte bestimmt niemals gedient, aber diese Maxime lebte er wie kaum ein anderer.
    Das Konsortium der internationalen Energieversorger wird die neuen Fusionsanlagen zur Rekonfiguration atomarer Abfälle in Minnesota, Jiangxi und Hamburg pünktlich nach dreijähriger Ba uzeit zum ersten Januar in Betrieb nehmen.
    Wie gesagt, sie mochte Paul nicht, aber er war kein Trottel, er wusste genau, was er seinem Ruf schuldig war. Vermutlich würde er sich eher den Fuß wegschießen lassen, als dass ihm jemand nachsagte, er hätte das Spiel nicht verstanden. Jeder der für ihn
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