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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel
Autoren: Sergej Lukianenko
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auf Katti zu. Mein Gesicht brannte, als sei es vom Feuer erfasst. Jetzt war es das Gesicht von Niki Rimer, und für einen kurzen Moment loderte in Kattis Augen Freude auf, vermischt mit Entsetzen. Dann veränderte ich mich jedoch erneut, es stülpte mein Inneres nach außen, die Muskeln schwollen an, der Körper gewann in den Schultern an Breite, die Wangenknochen wurden breiter, die Augen wechselten die Farbe.
    »Abschied …«
    »Ich bin ein Fremder«, sagte ich. »Ich bin nicht Niki. Verzeih mir. Woher sollte ich wissen, dass ihn jemand liebt? Niki ist tot.«
    Kopfschüttelnd wich sie zurück.
    »Niki ist tot«, wiederholte ich. »Fast tot. Nur in mir lebt noch etwas von ihm … entschuldige …«
    Letzten Endes war es, als schlüpfte ich in alte, eingetragene und vertraute Kleidung. Mein Körper, der Körper von Pjotr Chrumow, kehrte problemlos zu mir zurück, ohne jene entsetzlichen Schmerzen, die es mich gekostet hatte, Nikis oder Feds Äußeres anzunehmen. Vermutlich war ich irgendwo in mir drin ich selbst geblieben. Bis zum Schluss.
    Kattis Augen weiteten sich. Sie sah mich an, diesen Fremden, der sich unablässig veränderte und ihr innerhalb von einer Minute zwei vertraute Körper gezeigt hatte. Die Kleidung des Ausbilders Fed platzte an den Schultern. Ich musste wie ein Monster wirken.
    Oder war ich schon lange eins?
    Der Cualcua, der mein Fleisch gehorsam moduliert hatte, schwieg. Vielleicht hatte er sich vollständig untergeordnet. Oder waren wir bereits so weit verschmolzen, dass wir nicht mehr miteinander reden mussten?
    »Der Schatten …«, hauchte Katti.
    Wahrscheinlich kannten sie keine größere Angst und keinen schlimmeren Fluch.
    In Kattis Stimme lag verächtlicher Ekel und Entsetzen.
    »Ich verschwinde von hier. Du solltest mir nicht folgen.«
    Worauf hoffte ich da eigentlich? Auf den ihrem Unterbewusstsein eingebläuten Gehorsam? Darauf, dass ich eben noch in der Hülle des Ausbilders Fed gesteckt hatte?
    Auf j enen kurzen Augenblick, als ich Katti wie Niki Rimer vorgekommen war?
    Sie schlug mich. Versuchte es, besser gesagt … Ich fing ihre Bewegung mit jener Leichtigkeit ab, die mir der Cualcua geschenkt hatte. Ich griff nach ihrem Arm, bog ihn nach oben und schuf mir Platz, um zum Schlag auszuholen. Es wäre so einfach, jetzt zurückzuschlagen – und ihr für lange Zeit jede Kraft zu nehmen, mir nachzusetzen.
    Stattdessen berührte ich ihre Wange mit dem Handteller. Mit einer leichten und vorsichtigen Zärtlichkeit, schließlich liebte sie jemand anderen. Und die Tatsache, dass dieser andere tot war, seine Asche jedoch nie in den Himmel Der Heimat aufsteigen würde, hatte keine Bedeutung.
    Katti erstarrte.
    »Ich wollte das nicht«, sagte ich. »Verzeih.«
    Sie machte keinen weiteren Versuch, mich aufzuhalten. Ich berührte das Terminal, ohne Katti aus den Augen zu lassen.
    Zielort?
    Der nächstgelegene Weltraumbahnhof der Fernaufklärung.
    Zielort?
    Ich musste einen Fehler gemacht haben. Ob ein Kosmodrom keine eigenen Kabinen hatte?
    Zur Kabine, die dem Hauptweltraumbahnhof der Fernaufklärung am nächsten liegt …
    Die Pause dauerte auch diesmal viel zu lange. Aber immerhin öffnete sich die Tür.
    Ich trat ein und sah Katti an. Wie gebannt beobachtete sie mich. Verzeih mir, Katti …
    »Niki!«, schrie sie laut und wütend. Die Türen schlossen sich, kappten den Schrei, auch wenn Katti weiter schrie und mit den Fäusten auf das dunkle Glas einhämmerte.
    Sie würde mir nicht verzeihen.
    Wahrscheinlich speichern die Transportkabinen den letzten Bestimmungsort. Wie hätte Katti mir sonst folgen können? Aber diesmal würde sie mir nicht nachjagen. Ihr irrsinniger Verdacht hatte sich bewahrheitet, und es war an der Zeit, Alarm zu schlagen. Hilfe zu rufen.
    Warum hatte ich sie nicht ausgeschaltet? Es wäre so leicht gewesen – die Frau in Schlaf zu versenken, sie zu paralysieren, zu betäuben …
    Unter mir flammte es blau auf, und ich dachte kurz darüber nach, dass ich in dem beim Hypersprung entstehenden gespenstischen Licht wie ein Monster aussehen musste. Zerfetzte Kleidung, die mir vom Körper fiel, die Haut von roten Flecken übersät …
    Dann brach durch das dunkle Glas die Sonne.
    Ich blieb lange stehen, konnte mich nicht durchringen, durch die offene Tür zu treten. So starr steht ein verwilderter, dreckiger Landstreicher an der Schwelle eines fremden Heims, von der Sauberkeit und Freiheit zurückgehalten. Einer Sauberkeit, die ihm nicht zusteht.
    Und dennoch musste ich
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