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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel
Autoren: Sergej Lukianenko
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erhalten. Auf dem Fußboden lag ein seltsamer Teppich, der an dicht verflochtene Strohbündel denken ließ. Die Lampen, vermutlich elektrische, saßen in nachgedunkelten Kupferschalen, die an Ketten von der Decke herabhingen. Sie spendeten ein trübes Licht, vor dem Fenster hing eine Strickgardine von unbestimmter Farbe. Die Betten waren grob, hölzern, der Tisch, wenn auch tadellos sauber, so doch ordentlich zerkratzt und mit einem in seine Mitte hineingerammten Messer.
    Die vier Jungen in der peniblen, nahtlosen Kleidung der Geometer – Shorts und Hemden in Salatgrün – nahmen sich ein wenig fehl am Platze aus. Sie mochten etwa elf oder zwölf sein, im Alterssystem der Erde gesprochen. Die vier saßen direkt auf dem Fußboden, das Gesicht der Tür zugekehrt. Anscheinend hatten sie auf mein Kommen gewartet.
    »Hallo«, begrüßte ich sie. »Habt ihr es nicht geschafft, euch Kleidung aus dem Burgenzeitalter zuzulegen?«
    »Guten Tag, Ausbilder«, antwortete einer der Jungen ernst. Ein rotblonder Junge, ganz wie Nik Rimers Freund Inka, der im Kern gestorben war. Ein schmächtiger kleiner Kerl. Mit einem wachsamen Blick.
    Das heißt, eigentlich hatten alle vier einen wachsamen Blick. Nicht verschreckt, natürlich nicht, wieso sollten die Kinder der Geometer auch ihre Ausbilder fürchten? Sondern einfach aufmerksam, zweifelnd, abschätzend.
    »Wir haben Kleidung aus dieser Zeit«, fuhr der Junge fort. »Nur wird uns geraten, sie ausschließlich in der Freizeit anzuziehen. Und jetzt haben wir Unterricht.«
    Die Botschaft war angekommen: Misch dich nicht in unsere Spiele ein, verehrter Ausbilder. Lass uns unsere Freiheit.
    Ich setzte mich neben die Jungen auf den Fußboden -Teufel auch, wie ungelenk dieser Körper Feds war – und fragte: »Wie heißt ihr, Kinder?«
    »Wissen Sie das wirklich nicht, Ausbilder?«, wunderte sich der rotblonde Junge ehrlich. Ein anderer, ein blonder Lockenkopf mit dem Gesicht eines schlaftrunkenen kleinen Engels, ergänzte ebenso langsam wie genüsslich: »Über unsere Gruppe gibt es doch Daten … jede Menge sogar …«
    Ich hätte gern meine Zeit mit diesen Jungen verbracht. Ich hätte versucht zu verstehen, woher in dieser Welt der Geometer so höfliche, zugleich aber auch so dickschädelige Kinder kamen, die nicht Regressor spielten, sondern Burgenzeitalter … das letzte Zeitalter der Freiheit auf diesem Planeten. Das wäre eine interessante Aufgabe gewesen. Wenn mir zehn Jahre zur Verfügung stünden, würde ich sie sogar erziehen. So, wie es sein musste … aus meiner Sicht. Und sie wären ebenfalls Ausbilder geworden … hätten diese Welt verändert.
    Und es hätte eine herrliche Schlacht gegen die Geometer gegeben, ausgetragen mit ihren eigenen Waffen. Dann hätten wir noch die Pest eingeführt, damit ganz gezielt die Ausbilder ausgerottet – und wären endgültig in ihre Fußstapfen getreten.
    »Ich habe mir eure Dateien nicht angesehen«, sagte ich. »Das wäre nicht fair, findet ihr nicht auch? Schließlich habt ihr über mich auch keine Informationen.«
    Die Jungen schwiegen. Bestimmt hatten sie schon etliche Ausbilder erlebt. Und allerlei Methoden kennengelernt, mit denen warmherzige, freundschaftliche Beziehungen hergestellt werden sollten …
    Ich seufzte. Tut mir leid, Jungs, aber mir stehen diese zehn Jahre nicht zur Verfügung, um euch zu helfen. Leider nicht. Ich habe noch nicht mal zehn Tage, um mich mit euch anzufreunden. Zum Glück nicht.
    »Warum habt ihr euch gerade das Burgenzeitalter ausgesucht, Kinder?« Ich ließ meinen Blick durch das Zimmer schweifen. »Warum nicht das Knochenzeitalter oder das Meereszeitalter? Interessieren die euch denn nicht?«
    »Weil das Burgenzeitalter einen Wendepunkt in der Entwicklung der Menschheit darstellt, Ausbilder«, teilte mir der rothaarige Junge mit. »Eine Wegscheide.«
    »Den Punkt, an dem man sein Schicksal wählt«, ergänzte der Lockenkopf. »Unsere Welt wäre jetzt vielleicht eine andere, wenn es die damaligen Ereignisse nicht gegeben hätte. Sehen Sie das nicht auch so?«
    Wie schade, dass mir nicht ein paar Jahre zur Verfügung standen …
    »Das tue ich«, gab ich zu. Ich erhob mich. Der alte Körper knirschte missmutig in den Gelenken. »Habt ihr etwas dagegen, wenn ich das Fenster aufmache, Kinder?«
    Sie hatten nichts dagegen. Sie legten es aber auch nicht darauf an, mir zu helfen. Oder mich kennenzulernen. Zwei von ihnen hatten sich nicht einmal zu einem Gespräch mit mir herabgelassen … diese
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