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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel
Autoren: Sergej Lukianenko
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hören, fast als schlüge eine Glocke.
    Die Jungen wechselten Blicke.
    »Es ist jemand gekommen, Ausbilder Fed«, teilte Grik mir mit. »Da sind Fremde am Tor!«
    »Sie wollen zu mir«, teilte ich ihnen ohne den Hauch eines Zweifels mit. »Öffne bitte die Tür.«
    Vielen Dank, dass ihr mich habt mitspielen lassen, Kinder. Aber jetzt ist das Spiel aus.
    Grik, der komisch auf allen vieren über das »Stroh« krabbelte, sprang auf und klatschte mit der Hand gegen die Tür. Garantiert ließ sich ihre Tür nicht ordentlich abschließen, und jeder Ausbilder konnte ungefragt hereinkommen. Aber noch bewahrten sich die Kinder die Illusion, sich an einem geschützten Ort zu befinden.
    Vor der Tür stand Katti.
    Ich wunderte mich nicht einmal darüber. In meinem Innern hätte ich es akzeptiert, hinter ihr auch Tag und Han mit einem medizinischen Paralysator in der Hand zu sehen. Oder auch eine ganze Einheit. Und zu hören: »Das Spiel ist aus, Regressor des Schattens!«
    »Hallo, Kinder … Guten Tag, Ausbilder Fed.« Sie legte dem Jungen die Hand auf die Schulter und sah mich an. Mich, den gemeinen Spion, der erst in den Körper ihres Freundes, dann in den ihres Ausbilders geschlüpft war. Sie blickte traurig und treu ergeben.
    »Guten Tag, Katti«, sagte ich.
    »Ausbilder, verzeihen Sie, dass ich ihren Unterricht störe. Aber ich muss dringend – sehr dringend – mit Ihnen reden. Ich … werde warten …«
    »Ich rede jetzt sofort mit dir«, erwiderte ich. Ich sah Grik, der die Berührung ihrer Hand genoss und seinen Gefährten Grimassen schnitt, und die anderen Jungen an. »Tschüs, Kinder. Ihr habt mir sehr gefallen.«
    »Kommen Sie bald wieder, Ausbilder Fed?«, fragte Till mit schwacher Stimme, als ich zur Tür … zum Tor ihrer kleinen, umzingelten und dem Untergang geweihten Burg ging.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete ich mit der Lüge, die der Wahrheit am nächsten kam.
    Im Gang ergriff Katti meine Hand. Ohne uns darüber abzustimmen, gingen wir die Treppe hinunter. Irgendwo im vierten Stock brachte Katti mit schiefem Lächeln heraus: »Sie sind schon richtig in Sie verliebt, Ausbilder. Für die schwierigste Gruppe ist das erstaunlich.«
    »Sie sind die normalsten von allen«, erwiderte ich.
    »Und sie sind genauso begeistert vom Burgenzeitalter … wie Nikis Gruppe …«
    Ihre Stimme zitterte.
    »Was ist passiert, Mädchen?«
    Katti brach plötzlich in Tränen aus und klammerte sich mit aller Kraft an mich. »Ausbilder Fed … bitte, verzeihen Sie Niki, Ausbilder!«

Fünf
     
    Wir gingen durch den Park, der geschützt unter einem Glashimmel angelegt worden war, und Katti sagte, noch immer schluchzend: »Ich verstehe es ja … verstehe es, Ausbilder … Er hat sich fürchterlich benommen. Aber er ist doch krank.«
    »Nik ist aus dem Sanatorium geflohen«, teilte ich ihr mit. »Weißt du das?«
    Sie nickte schweigend.
    »Ich bin nicht böse auf ihn«, fuhr ich fort, angesichts der widerlichen Falschheit, die sich jetzt in meinen Worten verbarg, zusammenzuckend. Aber mir fehlte die Kraft für die Wahrheit! »Ich bin nicht böse auf Niki.«
    Der Ausbilder Fed hätte übrigens genau dasselbe gesagt.
    »Das liegt alles an seinem Gedächtnis«, behauptete Katti überzeugt. »Wenn wir unser Gedächtnis verlieren, bleibt nur noch das Wesen. Die Seele. Sie wissen doch, wie impulsiv er früher gewesen ist. Wie aufbrausend. Er hat stets sehr emotional reagiert. Sie haben ihm geholfen, sich selbst zu überwinden, Fed. Ein normaler Mensch zu werden. Aber jetzt ist sein Wesen wieder durchgebrochen! Wenn die Erziehung wegbricht, wenn das wegbricht, was die Gesellschaft einem beigebracht hat, dann … Nik stand … plötzlich mit nacktem Herzen da. Vor uns, den Klugen und alles Verstehenden … Ich bin hierhergekommen, weil ich verstanden habe, dass ich nicht länger … dass ich mit Ihnen reden muss. Sie müssen Niki verstehen, Ausbilder.«
    »Was kann ich denn tun, Katti?«, fragte ich, mich hinter der Maske Feds versteckend. »Er hat das Sanatorium verlassen. Er hat die Wendigen Freunde angegriffen. Momentan weiß niemand etwas über sein Schicksal.«
    Wir standen in der Nähe der Transportkabine. Ruhig war es hier, in diesem kleinen Park des polaren Internats. Nicht einmal im Gebüsch schien sich jemand zu verstecken, der die Libellen beobachtete oder zufälligen Besuchern auflauerte.
    »Als die Entscheidung getroffen worden ist, hätte man Niks Zustand berücksichtigen müssen«, erklärte Katti mit fester Stimme. »Sie
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