Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel
Autoren: Sergej Lukianenko
Vom Netzwerk:
und trieben gegen das Fenster. Schwaches Sonnenlicht schimmerte hinter den Wolken, nützte aber nichts.
    »Wer hat nur das schlechte Wetter bestellt …«, fragte Lori nachdenklich.
    »Das war ich. Also … ich wollte das für den Unterricht. Für eine Lektion zum schlechten Wetter.«
    »Eine interessante Entscheidung«, versicherte Lori. »Haben Sie sich schon Ihre Schützlinge ausgesucht?«
    »Nein.«
    »Nehmen Sie die dritte Gruppe der Kleinen, Ausbilder Fed.«
    »Gut«, willigte ich ein. War es nicht völlig einerlei, wer mir zugeteilt würde? Schließlich hatte ich ohnehin nicht die Absicht, mich hier länger aufzuhalten.
    »Es sind die schwierigsten Kinder …«, berichtete Lori eifrig. »Da werden Sie sofort in Ihrer Arbeit aufgehen, Fed! Das ist eine hochinteressante Gruppe, aber von uns kommt niemand mit ihr zurecht. Schließlich hat niemand Ihre Erfahrung …«
    Ich lachte lautlos, ohne Lori mein Gesicht zuzukehren.
    Vielen Dank für das Vertrauen. Der Ausbilder Fed würde deinen Rat vermutlich schätzen.
     
    Natürlich würde ich diese Farce nicht lange durchhalten können. Der Cualcua konnte mein Äußeres perfekt imitieren, aber ich wäre nie in der Lage, mich wie Fed zu verhalten.
    Ich musste Zeit gewinnen. Nur ein paar Stunden, bis die Ausbilder der Arbeit mit ihren Schützlingen nachgehen würden. Dann würde ich eine Kabine benutzen und verschwinden.
    Die Weltraumbahnhöfe der Geometer waren praktisch unbewacht. Ich müsste also nur einen Piloten in meine Gewalt bringen, ihn ausschalten und dem Symbionten die Möglichkeit geben, eine Gewebeprobe zu nehmen. Dann würde ich mein Äußeres ändern und zum Schiff vordringen.
    Über alles Weitere brauchte ich mir den Kopf jetzt noch nicht zu zerbrechen.
    Ich hätte lieber in Feds Zimmer gewartet. Meiner Ansicht hätte das nicht gegen den guten Ton verstoßen, und die Verschlossenheit des frisch eingetroffenen Ausbilders dürfte allen verzeihlich erscheinen. Schließlich hatte er so viel durchgemacht mit seinem wahnsinnigen Schützling …
    Aber ich bekam Besuch. Die gastfreundliche Lori und ein junger Mann, den ich nicht kannte. In seinen Augen lag der gleiche mitleidige Respekt. Wahrscheinlich waren in diesem Internat alle Angestellten noch sehr jung.
    »Sollen wir Sie zur dritten Gruppe bringen, Ausbilder Fed?«, erkundigte sich Lori. »Die Kinder warten schon auf Sie.«
    Der Mann verzichtete darauf, sich vorzustellen. Offenbar kannten wir uns bereits. Darum nickte ich ihm zu und ging so jedem Gespräch aus dem Weg.
    Die Gruppe, mit welcher der Ausbilder Fed nun nie arbeiten würde, wohnte im elften Stock des Turms. Gehorsam folgte ich Lori und dem Unbekannten.
    »Wenn Sie wollen, Ausbilder, bleiben wir …«
    »Nein, das ist nicht nötig«, lehnte ich ab. »Ihr habt selbst genug zu tun.«
    Beobachter – das hätte mir gerade noch gefehlt!
    »Da wären wir«, brachte der Mann seine ersten Worte heraus. »Eine schwierige Gruppe, Ausbilder Fed. Die Kinder zeigen eine ausgeprägte Neigung, alles zu kritisieren. Man muss sie buchstäblich von jeder Kleinigkeit überzeugen.«
    »Das werde ich schon schaffen«, versicherte ich. »Keine Sorge.«
    Unter dem aufmerksamen Blick meiner beiden Begleiter betrat ich das Zimmer der dritten Gruppe. Die jungen Kollegen des Ausbilders Fed spürten, dass etwas nicht stimmte.
    Ich sollte wirklich zusehen, hier wegzukommen.
    Bei der Innengestaltung der Räume gestanden die Geometer ihren Schützlingen durchaus Phantasie zu. Vermutlich verflüchtigte sich dieses Bedürfnis mit der Zeit von selbst. Nicht, weil sie nicht nach Schönheit oder Individualität strebten, sondern weil ihr Zuhause – davon hatte ich mich bereits überzeugen können – ihnen lediglich einen Ort zum Schlafen und Schutz gegen schlechtes Wetter bedeutete. Ihre Gesellschaft gab ein faszinierendes Beispiel für eine Zivilisation von Extrovertierten ab. Für eine Welt, die auf Expansion ausgerichtet war. Und dabei absolut glücklich.
    Diese Kinder hatten einfach noch kein würdiges Ziel gefunden, auf das sie ihre kleinen Kräfte richten konnten. Sie hatten kein Labor, keine Werkstatt, nur dieses eine Zimmer, das sie für ihr Zuhause hielten. Oder eher für ihre Burg … wobei sie in ihrer Naivität nicht einmal ahnten, dass der Ausbilder jederzeit, Tag und Nacht, in ihr Zimmer hineinschauen konnte.
    Die Wände waren mit einer geriffelten, grauen Folie überzogen, die recht überzeugend Steinquader imitierte. Die Decke hatte eine Folie in Holzimitat
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher