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Sternenspiel

Sternenspiel

Titel: Sternenspiel
Autoren: Sergej Lukianenko
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Geometern. Am Ende einer alten Geschichte, am Beginn einer neuen gibt es stets jemanden, dessen Aufgabe darin besteht, Verantwortung zu übernehmen. Zu entscheiden. Für alle.
    Ohne das Recht, sich zu rechtfertigen. Ohne die Hoffnung auf Mitleid. Jedes Verhalten wird zum Fehler, wenn auf den Waagschalen das Leben und der Tod von Zivilisationen liegen. Ich musste nach Hause zurückkehren. Ich musste berichten, wer die Geometer waren. Und in der Hülle des Ausbilders Fed dürfte mir das gelingen. In ihr konnte ich die Transportkabinen benutzen, mir ein Schiff schnappen und es genau zu dem Punkt im Kosmos bringen, an dem die Flotte der Alari auf mich wartete.
    Dann würde es Krieg geben. Das Konklave gegen die Geometer und ihre Freunde.
    Ich könnte mich allerdings auch an den Weltrat wenden. Ihm vom Konklave erzählen, vom Planeten Erde, der unter dem Joch der Außerirdischen vegetierte.
    Dann würde es Krieg geben. Das Konklave gegen die Erde und die Geometer …
    Ich will diese Entscheidung nicht treffen. Nicht, solange es noch den Schatten einer Hoffnung gibt … den Schatten …
    Die dritte Kraft.
    Jene Kraft, welche die Geometer in Panik versetzt hatte.
    Ob in dieser Welt Rettung lag? Ob sie einen Weg bot, der sowohl auf die kalte Logik der Starken Rassen als auch auf die böse Güte der Geometer verzichtete?
    Ich verließ das Bad. Mit einer Verzweiflung, als wollte ich wieder in einen dunklen Brunnen springen, schob ich die Hand in den Trichter des Terminals.
    »Meine Aufgaben für heute!«
    Wecken in siebzehn Minuten …
    Die stumpfsinnige Dienstbarkeit des Steuerungssystems brachte mich zum Lachen. Es überprüfte nicht das Bewusstsein, sondern identifizierte einen Menschen anhand von Fingerabdrücken oder der Genstruktur. Aber ins Allerheiligste, ins eigene Gehirn, lassen die Geometer keine Maschinen hinein.
    Kennenlernen der Schützlinge. Unterricht. Vor vierzig Minuten wurde die Entscheidung getroffen, eine Unterrichtsstunde zum schlechten Wetter abzuhalten. Der weitere Arbeitsplan liegt noch nicht vor.
    »Ihr werdet eure Lektionen lernen«, kündigte ich an. Selbst meine Stimme klang anders. Rau, zitternd, die gelangweilte Stimme des Ausbilders Fed.
    Das Steuerungssystem schwieg.
    »Wie kann ich eine größere Menge organischer Stoffe loswerden?«
    Im Bad gibt es einen Müllschlucker.
    Ich zog die Hand aus dem Terminal. Die Variante gefällt dir nicht, was, Ausbilder Fed?
    Wieso eigentlich nicht? Schließlich weiß ich auch nicht, auf welcher Müllhalde mein Weg enden würde …
    Trotzdem brachte ich das nicht fertig.
    Unter keinen Umständen.
    »Ich kann das Gebäude verlassen?«, fragte ich, indem ich das System abermals aktivierte.
    Die Notausgänge befinden sich im Erdgeschoss.
    Ich schaute auf den Bildschirm, der mir nach wie vor die Halle im Parterre zeigte. Der kleine Wachtposten schlief noch.
    »Noch zehn Minuten, Kleiner«, sagte ich. »Abgemacht? Vielleicht träumst du von einem neuen Planeten oder von Nicht-Freunden, bei denen man schnellstens eine Regression durchführen muss.«
    Der Junge schlief weiter, was ich als Zustimmung auffasste.
     
    Als ich ins Internat zurückkehrte, war ich bis auf die Knochen durchgefroren. Der Cualcua hatte mir keine Thermoisolierung angeboten, von mir aus hatte ich ihn nicht darum gebeten.
    Schließlich hatte es nicht allzu lange gedauert, den Körper des Ausbilders Fed in einer Schneewehe zu vergraben.
    Asche zu Erde.
    Eis zu Schnee.
    Vor der Tür – vor jener, an die ich vor ein paar Stunden erfolglos gehämmert hatte – klopfte ich meine Sachen ab und brachte die kurze, für irdische Verhältnisse zu knappe Jacke in Ordnung. Die Tür öffnete sich gehorsam. Ich betrat die Halle und fing den erschrockenen Blick des Jungen auf, der unter der vernickelten Harpune hervorkroch.
    War er also doch aufgewacht.
    »Einen fröhlichen Morgen, mein Junge«, begrüßte ich ihn.
    »Einen fröhlichen Morgen, Ausbilder«, antwortete er mit dünner Stimme.
    Den Jungen beschäftigte fraglos nur ein einziger Gedanke, nämlich ob ich gesehen hatte, dass er auf seinem Posten geschlafen hatte. Genauer gesagt, welche Schuld er wohl damit auf sich geladen hatte …
    »Als ich klein war«, brachte ich diesen dämlichen Satz heraus, der jedem Erwachsenen über die Lippen kommt, sobald er mit einem Kind spricht, »bin ich auch ein paar Mal während der Wache eingeschlafen. Bei uns im Eingang stand … äh … ein alter Pflug. So ein Ding, mit dem man bereits im Burgenzeitalter den
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