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Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide

Titel: Sternenseide-Zyklus 3 - Sternenseide
Autoren: Sydney J. Van Scyoc
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Ungesehene?
    Tsuuka war inzwischen erwachsen und wußte dennoch nicht viel mehr, als sie als Junges gewußt hatte. Die Zeit war nahe, da Dariim und Falett ihren Baum verlassen und ihren eigenen suchen mußten. Wenn Maiilin grundlos ein Grummler geworden war – weshalb sollte nicht auch Dariim, die viel Ähnlichkeit mit der Maiilin von einst hatte, diesen Weg einschlagen? Ohne Grund. Wenn es keinen Grund für diesen höchst bedeutungsvollen Unfall gab, gab es dann einen Grund für irgend etwas? Oder breitete sich die Welt um sie planlos aus? War das Leben nicht mehr als ein zufällig gewobenes Netz von Ereignissen, geschaffen ohne Plan und Lenkung?
    Tsuuka hatte noch nie in dieser Stimmung nachgedacht, und sie wollte es auch jetzt nicht, aber die Fragen ließen sich nicht abweisen. Daher fiel ihr ein Stein vom Herzen, als sie hörte, daß Paalan und Kaliir erwachten, und als sie in ihr Nest gestürzt kamen und mit ihr in der stummen Seide herumtollten, knurrten und Scheinangriffe ausführten und sie eine Weile von ihren Gedanken ablenkten. Sie würde wieder allein sein, aber nicht, solange die Sonne schien und ihre Jungen ihre ganze Aufmerksamkeit erforderten.
     

2 Reyna
    Es war noch früh, als Reyna erwachte; aber der schmale Streifen Himmel, den sie durch das Fenster sehen konnte, war schon sonnenhell; und unten auf der Plaza erscholl bereits Lachen. Reyna starrte zur Decke empor und versuchte, sich für den Tag zu erwärmen. In wenigen Stunden würde das erste Fest der neuen Saison beginnen, und in der Dämmerung würde Holzrauchzeit sein. Die Frauen hatten schon Pyramiden aus Klötzen und Ästen auf der Plaza errichtet, und die Kinder brachten Zweige und Stöcke heran, um ihren Teil beizutragen. Reyna hörte sie jedesmal quieken, wenn ein Scheiterhaufen bei ihren wichtigen Verrichtungen wackelte oder sich neigte. Außerdem konnte sie die Festtagsbraten riechen, die in den Küchen schmorten, und sie wußte, daß ihre Altersgenossen in den Steinhallen über die Arbeitstische gebeugt waren und mit hurtigen Fingern nähten. Dies war sowohl das Jahr als auch die Jahreszeit ihrer zweiten Großjährigkeit; des endgültigen Erwachsenseins. Heute war es ihnen gestattet, den Familiengewändern ihre ersten Stiche hinzuzufügen, und heute war die erste Nacht, in der sie tanzen durften, während die Holzfeuer brannten.
    Widerwillig stieß Reyna die Bettdecke fort, trat ans Fenster und lehnte die nackten Arme auf die rauhe, steinerne Fensterbank. Im letzten Jahr hatten sie und Aberra den Tanz gemeinsam beobachtet, aus den Schatten am Rande der Plaza. Sie hatten das herbe Aroma des Rauches geschmeckt und ihren Eltern zugesehen, die sich inmitten der übrigen in Gewänder gehüllten Tänzer bewegten; das Licht des Feuers hatte die schattigen Stellen ihrer Gesichter ausgeleuchtet. Danior hatte ebenfalls getanzt; eine dritte große, dunkle Gestalt unter den untersetzten, weißhaarigen Leuten der Hallen.
    Das war letztes Jahr gewesen. In diesem Jahr hatte sich alles gewandelt. Danior, ihr Bruder, war bald nach der Holzrauchnacht des letzten Jahres fortgegangen, und sie hatten mehr von ihm gehört, bis er im Herbst mit einer Gefährtin zurückgekommen war; einer schmalgliedrigen Frau der Wüste, die ein zweischneidiges Messer an der Taille trug, das sie nicht einmal ablegte, wenn sie sich zum Essen hinsetzten. Sie waren eben lange genug geblieben, daß Reyna zu der Oberzeugung gelangte, sie würde niemals lernen, Kevas Blick aus schwarzen Augen gelassen zu ertragen. Dann waren sie zurück in die Wüste geritten.
    Was aber schlimmer gewesen war: als Danior und Keva aufbrachen, war ihr Vater mit ihnen gegangen; ohne jeden ersichtlichen Grund. Reyna wußte, daß er und Mutter gestritten hatten. Sie hatte spät in der Nacht aus der Kammer, die teilten, heftige Worte gehört. Und am Eßtisch hatten sie schweigend auf ihre Teller gestarrt und nur wenig gegessen. Reyna hatte es beunruhigend gefunden, daß es Spannungen /wischen ihnen gab, weil jeder von ihnen die Interessen des anderen so nachdrücklich und solange berücksichtigt hatte. Sie hatte sich unbehaglich gefragt, ob sie eine Einigung in bezug auf ihre Meinungsverschiedenheit fänden, oder ob sie zu Richterin Minossa gehen müßten, damit sie vermittelte.
    Sie hatten weder das eine noch das andere getan. Statt dessen hatte ihr Vater angekündigt, er beabsichtige, mit Danior zu reiten und seinen Bruder Jhaviir in der Wüste zu besuchen. Er wünschte die gläserne Stadt zu
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