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Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich

Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich

Titel: Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich
Autoren: Manfred Weinland
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Handbewegung. »Nicht schlimm. Ich spüre es kaum. Das geht wieder vorbei.«
    »Nein. Wir müssen einen Heiler aufsuchen.«
    »Am besten Niers Vada«, pflichtete Taro mit todernster Miene bei und schaffte es, Jinu zum Lachen zu bringen.
    »Verdient hätte er es – hätten beide es. Dann wüsste er vielleicht endlich, was für ein Früchtchen sein Sohn ist.«
    »Es geht schon. Wirklich! Morgen wird nichts mehr davon zu sehen sein.«
    »Auf wann wurde der Eponen-Ritus verschoben?«
    »Übermorgen.«
    »Übermorgen schon?« Sie wirkte überrascht. »Es wird dir zum Nachteil gereichen, wenn deine Sehfähigkeit dann noch beeinträchtigt ist.«
    »Das wird sie nicht.«
    »Du bist zu sorglos.«
    Er nickte. »So bin ich nun mal.«
    »Und so liebe ich dich« , wisperten die Bilder in seinem Geist, die sie auf ihn übertrug.
    In diesem Moment hätte es ihm nichts ausgemacht zu sterben. Er fühlte sich wohl und angenommen wie lange nicht mehr.
    Aber Jinu hatte noch eine Überraschung für ihn, mit der er noch weniger als mit ihrem Zusammentreffen gerechnet hätte.
    Sie zog eine silberne Scheibe aus der Tasche ihres Kleides. Die Scheibe war an einem Band aus geflochtenem Wogunhaar befestigt und wurde offenbar normalerweise um den Hals getragen.
    »Was ist das?«, fragte Taro.
    »Ein Schlüssel«, sagte Jinu.
    »Ein Schlüssel – wofür?«
    »Zum Domizil«, erwiderte sie mit leicht vibrierender Stimme. »Zum Domizil des Weisen.«
    »Du redest von …«
    »Von unserem verstorbenen Prinzipal.« Sie bejahte mit flatternder Hand. »Möchtest du mich begleiten?«
    »Weiß dein Vada davon?«
    Ihre für einen Moment betretene Miene beantwortete seine Frage zur Genüge.
    »Du bist verrückt!« , entfuhr es ihm. »Du musst das sofort wieder dorthin zurückbringen, wo du es an dich genommen hast. Wenn das der Verkünder merkt!«
    »Sei nicht feige!«
    Ihre Uneinsichtigkeit machte ihn sprachlos.
    Aber noch sprachloser machte ihn, wie er selbst darauf reagierte.
     
    *
     
    »Ich bin so froh, dass du mitgekommen bist.«
    Jinu legte die handflächengroße Scheibe in die kreisförmige Einbuchtung am Eingangsportal des höchsten Gebäudes von Kor’Aron.
    »Ich muss vollkommen den Verstand verloren haben« , erwiderte Taro, während er zusah, wie die silberne Scheibe kurz in mattem Rot erglühte, während ein Mechanismus in Bewegung gesetzt wurde, der dazu führte, dass das Eingangsportal in die Wand glitt. »Und ich verstehe immer noch nicht, was du hier willst.«
    »Abschied nehmen.«
    »Abschied?«
    »Von Manak. Mein Vada und seine Helfer haben alles für den morgigen Tag vorbereitet, an dem der Turm für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird und jeder am Schrein vorbei defilieren kann, der den Wunsch dazu verspürt. Aber ich möchte es vorher tun. Der Weise hat mich von frühester Kindheit an inspiriert. Ich will ein wenig Zeit ohne den ganzen Trubel mit ihm verbringen und ein letztes Mal seine spirituelle Nähe suchen.«
    »Das hätte dir dein Vada sicher gestattet, wenn du ihn gefragt und ihn hierher begleitet hättest.«
    Jinu wandte ihm den Blick zu und sah ihn in einer Weise an, die sein Herz höher schlagen ließ. »Ich dachte, wenn ich dich mitnehme, beweise ich dir, was mir an dir liegt.«
    Taro seufzte und blickte nach oben, wo der Turm sich hoch in den Himmel erstreckte. Man erzählte sich, das Domizil des Prinzipals sei nicht nur höher, sondern auch älter als jedes andere Gebäude des Clusters.
    »Wenn man mich hier erwischt, werde ich bestimmt vom Ritus ausgeschlossen – zumindest für dieses Jahr«, sagte Taro.
    »Du musst wissen, ob es dir das wert ist.«
    Taro seufzte. »Schon gut, überredet.«
    Jinu lächelte. Aber auch Jinu schien zu zögern, den letzten Schritt zu tun und über die Schwelle zu treten. Doch dann gab sie sich einen Ruck und trat in das Gebäude, in dem ihr Vada, der Verkünder, seit Langem ein und aus ging.
    Taro überwand seine Scheu ebenfalls und eilte ihr nach.
    Er war noch nie zuvor hier gewesen, weshalb ihm auch nicht bewusst gewesen, welch gewaltiger Raum ihn erwarten würde. Es gab kaum Mobiliar, umso mehr stach das ins Auge, was in der Mitte der riesigen Halle arrangiert worden war.
    Der Schrein, von dem Jinu gesprochen hatte.
    Der Schrein mit dem toten Prinzipal.
     
    *
     
    Warum der Weise nicht aussah wie ein normaler Karolaner, war überliefert: Er und andere seiner Art waren vor unvorstellbar langer Zeit von den Sternen herabgestiegen, um den Bewohnern der »Fünfmonde-Welt« –
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