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Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich

Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich

Titel: Sternenfaust - 185 - Das erloschene Reich
Autoren: Manfred Weinland
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auch an dessen Tochter.
     
    *
     
    Gerade, als es Taro auf seinem Heimweg geglückt schien, seine Gedanken auf etwas anderes als Jinu zu lenken, entdeckte er sie vor dem Laden eines Kunstschmieds, wo sie sich die Auslagen besah.
    Unweigerlich fühlte Taro sich an sein eigenes Verhalten am Vortag erinnert, als er vor Jinus Zuhause herumgeschlichen war.
    In einem ersten Impuls wollte er umkehren, um einer Begegnung aus dem Weg zu gehen, doch dann sprang er über seinen Schatten und trat zu ihr.
    Jinu hatte ihn noch nicht bemerkt und zuckte zusammen, als er sie von hinten ansprach. Langsam, als müsste sie sich erst sammeln, drehte sie sich von den Auslagen des Ladens weg und zu ihm um.
    Stumm blickte sie ihn aus ihren zweifarbigen Augen an.
    Grüne Pupille, gelbe Iris.
    Die Augen männlicher Karolaner waren nur einfarbig, und zwar überwiegend, wie auch bei Taro, bronzefarben, sodass sie mit dem Goldton des Haargespinsts harmonierten. Jinus Haar war mitternachtsblau wie das von Taros Mater. Aber damit erschöpfte sich die Ähnlichkeit auch schon. Die Züge waren feiner geschnitten. Canas eher herbe, erdige Schönheit ergab ein völlig anderes Gesamtbild als die filigrane Zerbrechlichkeit, die Jinu ausstrahlte.
    Taros Kehle war wie ausgetrocknet. Er suchte nach Worten und entschied sich schließlich für eine unverbindliche Grußformel.
    Jinu erwiderte sie. Der Stoff über ihrem Herzen schien zu pulsieren, so heftig schlug es. Unter großer Anstrengung, wie es schien, rang sie sich dann doch ein paar Sätze ab.
    »Ich habe deine Gefühle nicht verletzen wollen« , beteuerte sie in einem Reigen aus Emotionen und Bildern, die Taro aber aus verletztem Stolz von seinem Geist abprallen ließ – obwohl er es im selben Moment bedauerte. Die wenigen Male, die sie sich bislang in der Abgeschiedenheit abseits des Clusters getroffen hatten, war es stets der Höhepunkt für ihn gewesen, wenn sich ihre Geister durchdrungen und eine körperlich nicht erreichbare Nähe zueinander hergestellt hatten.
    »Du musst dich nicht rechtfertigen«, entgegnete er beherrscht. Er machte eine Geste, die sein Verständnis ausdrücken, ihr zugleich aber auch zeigen sollte, wie verletzt er tatsächlich und entgegen seinen Beteuerungen war.
    »Es wurde über meinen Kopf hinweg entschieden!« Sie stemmte ihre Fäuste in die schmale Taille und funkelte ihn an. »Ich werde mich weigern!«, sprach sie nun laut aus. »Das habe ich meinen Vada wissen lassen.«
    » Meine Mater steht auf meiner Seite «, fügte sie mental hinzu, »aber er ist so stur!«
    Taro schloss kurz die Augen, um sich zu sammeln. Er schämte sich fürchterlich. In seinem verletzten Stolz hatte er nie auch nur in Betracht gezogen, dass Jinu genauso ein Opfer der Kastenbräuche war wie er.
    »Es …«, stammelte er, als er sie wieder ansah. »Es tut mir fürchterlich leid.«
    Das Funkeln in ihren Augen wich einem warmen Leuchten. Sie trat auf ihn zu und legte ihm die Fingerkuppen ihrer Herzhand auf die Stirn.
    Die Welt hörte auf, sich zu drehen.
    Es war, als würden sich ihre Lippen berühren – nur dass das Glücksgefühl auf geistiger Ebene zündete und für eine unbestimmbare Zeitdauer alles andere ausblendete.
    Als Jinu sich aus ihm zurückzog, brauchte Taro eine Weile, um wieder zu sich zu finden. Er blickte sich unsicher nach allen Seiten um, als erwartete er, dass seine Umwelt jedes Detail dessen, was gerade geschehen war, mitbekommen hatte. Doch der Strom der Passanten wälzte sich fast unbeeindruckt an ihnen vorbei, wenngleich Jinu die üblichen neugierigen Blicke auf sich zog, die immer erfolgten, wenn sich Angehörige der höheren Kasten in den »Rand« verliefen.
    »Ich werde mich niemals mit Nier vereinen«, erklärte Jinu in einer Weise, die keinen Zweifel an ihrer Lauterkeit zuließ. »Niemals! Selbst wenn er kein Scheusal wäre, könnte ich mich nicht an ihn binden. Mein Herz gehört nur dir.«
    Sie strich über sein Gesicht, und erst jetzt schien sie die Schwellung um das linke Auge zu bemerken.
    »Was ist das? Hast du dich etwa geschlagen? Mit Nier?« Ihre Wut richtete sich zweifelsfrei gegen Taros nicht anwesenden bulligen Rivalen, was Taro erleichterte.
    Er schilderte den Vorfall beim Tempel und erntete dafür mindestens so viel Mitgefühl wie die drangsalierte Schleiche. Jinu war mehr als erbost. Aber dann überwog die Sorge um Taro.
    »Dein Auge. Wie konnte ich das übersehen? Es hat geblutet. Da sind geplatzte Äderchen!«
    Er machte eine abwiegelnde
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