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Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Titel: Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes
Autoren: Anonymous
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irgendwann. Sonst verliert man sich selbst.
    Meister William öffnete seinen Geist.
    Er wusste nicht, wie es ging. Niemand hatte es ihm gezeigt und auch er selbst hatte nur sehr vage Vorstellungen davon, wie er seine telepathischen Fähigkeiten richtig einsetzte. Laut Doktor Tregarde hätte er das gar nicht tun können.
    Alles, was er wusste, war, dass er es wollte. In diesem Moment – und vielleicht zum ersten Mal in seinem Leben – wollte er es.
    Und das genügte.
     
    *
     
    William sah eine Wiese, grün und voller Blumen. Zwei Menschen lagen darauf, auf einer Decke mit sich selbst beschäftigt. Er war einer von ihnen.
    William sah eine finstere Seitengasse auf einem wenig gastlichen Planeten. Gedrungene Schlägertypen umkreisten einen Menschen in Technikeruniform. Der Atem des Mannes ging rasselnd, und sein Blick flehte um Gnade. William war dieser Mann.
    William sah eine Kirche auf einem Berg, fern von jedem Ort, den er gekannt hätte. Ein Mann stand in ihr, die Hände zum Gebet gefaltet. Doch zwischen seinen Fingern floss Blut hervor, dicke Tropfen. William spürte, wie sich die Rasierklinge immer tiefer in seine Handflächen bohrte.
    All dies sah er, all dies war er – jetzt und gleichzeitig. Sein Geist war ein Meer geworden, und wohin er sich auch wandte, sah er neue Inseln, neue Strömungen. Kannte sie, obwohl er sie nicht kannte. Und mitten unter ihnen war Emma Kalani, die Quelle aller Eindrücke und Bilder.
    Der Christophorer konzentrierte sich auf ihren Geist. Er versuchte, sie aus all dem Lärm und tosendem Rauschen herauszufiltern, wollte nur sie sehen, nur sie sein. Und obwohl er keine Erfahrung hatte und rein instinktiv handelte, gelang es ihm.
    Ich komme in Frieden , dachte er in ihren Verstand, in das Chaos aus Gedanken und Emotionen hinter ihrer Stirn – dann explodierte sein Geist!
    Mit unbändiger Wucht strömte Emmas Bewusstsein auf ihn ein. Gnadenlos und unaufhaltsam prasselten Eindrücke und Gefühle auf ihn herab, rissen ihn aus dem mentalen Gleichgewicht. William wusste nicht, was mentale Schilde waren und wie man sich gegen die Flut fremder Gedanken wehrte. Und dieser Mangel wurde ihm nun zum Verhängnis.
    Fast.
    Irgendwann war es vorbei. Keuchend und am ganzen Leib zitternd, kam der Mönch wieder zu sich. Was war geschehen? Hatte Kalani aufgegeben? Er wusste es nicht, wollte es auch gar nicht wissen. Er wusste nur, dass er ihr nicht helfen konnte. Dies war ein Kampf, den erfahrene Telepathen führen mussten, nicht er.
    William schickte sich gerade an, zurück zum Ausgang zu robben, als er hinter sich ein hämisches Lachen hörte. Er erkannte die Stimme sofort.
    Sie gehörte Mauritio Abbo.
     
    *
     
    »Immer noch der gleiche alte Feigling, ja?«
    Abbo klang hämisch, lauernd. Williams Herz setzte einen Augenblick aus.
    »Wo bist du?«, fragte der Christophorer keuchend.
    »Gleich hinter Ihnen, Meister«, kam die Antwort. »Ich hatte Ihnen ja versprochen, dass ich Sie holen komme. Und jetzt warte ich nicht länger.«
    »Das … das ist absurd. Mauritio Abbo ist tot, gestorben auf Vesta. Was ich hier höre, ist nichts weiter als das Produkt meiner Fantasie, eine Gestalt aus meinen Albträumen.«
    Abermals lachte die Stimme. »Ach ja? Und träumen Sie etwa im Moment?«
    Nein , dachte William, und es war ihm, als lege sich abermals eine eiserne Hand um sein Bein. Eine Hand, die ihn ins Verderben ziehen wollte. Nein, ich träume nicht. Aber genauso wenig bist du real. Ich muss eine Nachwirkung der telepathischen Verbindung zu Emma Kalani erleben, das ist es. Abbo ist nicht hier, ich halluziniere!
    William schluckte trocken, bemühte sich, seine zitternden Hände unter Kontrolle zu bekommen, und robbte weiter. Nach vorne. »Mach, was du willst«, flüsterte er der Stimme zu, trotzig und mit dem Mut der Verzweiflung. »Ich habe zu tun. Ich bin nicht du.«
    Die eiserne Hand griff noch fester zu. »Aber was Sie tun ist sinnlos. Sie selbst waren der Meinung, Emma nicht helfen zu können. Hat Sie Ihr kleiner geistiger Spaziergang nicht darin bestätigt?«
    »NEIN!«, schrie William erbost und schüttelte sie ab. »Hat er nicht. Denn das Leben ist kein Wunschkonzert. Vor wenigen Stunden hat mir ein Wesen, das es besser weiß, die Augen geöffnet. Es geht nicht darum, was ich möchte. Idealzustände sind Illusionen. Was zählt, ist, wie man mit der Realität umgeht. Wie man die Karten, die einem das Leben gibt, am besten ausspielt.«
    Die Stimme schwieg. Und je weiter William Beaufort dem
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