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Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes

Titel: Sternenfaust - 113 - Abgrund des Geistes
Autoren: Anonymous
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ob Kalani ruhig daneben stehen würde, wenn ich in ihrem Zimmer aus der Lüftung plumpse! Wenn sie nur halb so paranoid ist, wie Daniel sagt, wird sie ohne zu zögern schießen. Und zwar auf mich! Genauso gut könnte ich auch an der Vordertür klopfen.
    Er musste sich wieder in Erinnerung rufen, dass er hier durch den Schacht robbte, weil Emma Kalani die Tür von innen verbarrikadiert hatte. Weston hatte auch einen Thermostrahler gehabt, mit dem sie den Schließmechanismus der Tür zerschmolzen hatte – man hatte bereits versucht, die Tür aufzuschweißen, doch das würde noch eine Weile dauern. Ganz davon abgesehen, dass Kalani das höchstwahrscheinlich als Angriff gewertet hätte. Kam er durch den Lüftungsschacht an das Zimmer heran, bestand wenigstens eine Spur Hoffnung, nämlich die, dass Emma so von den Versuchen an der Eingangstür zu ihrem Zimmer abgelenkt war, dass sie bei aller Voraussicht, die sie in ihrem Zustand besitzen mochte, nicht darauf achtete, ob jemand durch den Luftschacht in ihr Zimmer gekrochen kam.
    Einen Fluch auf den Lippen, kroch William weiter. Zentimeter für Zentimeter kämpfte er sich vor, und jede Bewegung war ein Sieg über die Enge und den Verstand, der ihn immer wieder an die Unsinnigkeit seines Tuns erinnerte. William war nie sonderlich klaustrophobisch veranlagt gewesen, aber jetzt spürte er, wie die Platzangst nur darauf wartete, ihn gänzlich anzufallen und nicht mehr aus ihren Klauen zu lassen. Er atmete tief und gleichmäßig, um sie zu unterdrücken, doch es gelang ihm nur zum Teil.
    Der Schacht maß etwa sechzig mal vierzig Zentimeter und war nahezu stockfinster. Kleine, vergitterte Öffnungen, die in unregelmäßigen Abständen auftauchten, führten in die einzelnen Zimmer des Hospitals und ließen ein wenig Licht hinein, doch reichte es bei weitem nicht aus, um den Schacht nennenswert zu erhellen. William robbte durch Dunkelheit.
    »Der Weg vom Vergangenen zum Werdenden muss selbst gefunden und selbst beschritten werden«, murmelte er und äffte den ausdruckslosen Tonfall der Entität nach, die ihm auf dem Pilgerpfad begegnet war. »Na, als Weg würde ich das hier eher nicht bezeichnen …!«
    Vermutlich bin ich ohnehin schon längst irgendwo falsch abgebogen und krieche in eine ganz falsche Richtung. Am besten mache ich kehrt und lasse es bleiben. Sollen sich doch die Sicherheitsleute um diese Sache kümmern. Die haben mehr Erfahrung in solchen Dingen.
    Doch dem war nicht so, und William wusste es genau. Mit Geiselnehmern konnten die Wachmänner und -frauen der Anlage vielleicht umgehen, doch gegen eine Telepathin kamen auch sie nicht an. Zumindest glaubte er das.
    Und wer sagt mir, dass ich es kann, he? , fragte er sich in Gedanken. Das ist Selbstmord, nichts weiter. Als ob ich einer Wahnsinnigen helfen könnte!
    Vielleicht wäre es einfacher, wenn er Emma Kalani schon auf sein Kommen vorbereitete. Wenn sie wüsste, dass er in friedlicher Absicht kam und ebenfalls über die Gabe verfügte, die zu verlieren sie hergereist war, würde das eventuell eine Basis schaffen, auf der sie ihr Gespräch aufbauen konnten. Aber wie sollte William sie erreichen? Eine Kom-Konsole würde er in diesem Lüftungsschacht wohl vergebens suchen.
    Du weißt genau, wie , sagte ihm seine innere Stimme plötzlich. Menschen wie Kalani und du brauchen keine Kom-Konsolen, um miteinander in Kontakt zu treten.
    William hielt inne. Allein im dunklen Schacht, eingeengt und orientierungslos, erkannte er, dass es keinen Weg zurück mehr gab. Dies war der Moment – und wenn er diesen Weg, den er gewählt hatte, wirklich beschreiten wollte, dann musste er tun, was immer in seiner Macht stand. Er hatte Daniel gesagt, dass sein Schneckenhaus zu klein geworden war. Es wurde Zeit, dass er den Worten Taten folgen ließ.
    William zitterte. Sein Körper fühlte sich mit einem Mal krank an, kalt und unbequem. Panik wallte in ihm auf, leicht und dünn, aber dennoch präsent. Der Christophorer dachte an das Erlebnis von vor fünfzehn Jahren, und die Angst schnürte ihm kurzzeitig die Kehle zu, raubte ihm den Atem. Aber er stellte sich ihr. Dieses Mal würde er nicht zurückweichen, koste es ihn, was es wolle.
    Das war sein Weg. Das war es, was er heute war. Und William Beaufort wollte verdammt sein, wenn er sich weiterhin an die Vergangenheit klammerte und dadurch seine Gegenwart opferte. Dinge, die man nicht ändern kann, kann man nicht ignorieren , schoss es ihm durch den Kopf. Man muss sie akzeptieren,
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