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Sternenfaust - 022 - Im Tempel der Toten Götter

Sternenfaust - 022 - Im Tempel der Toten Götter

Titel: Sternenfaust - 022 - Im Tempel der Toten Götter
Autoren: M’Raven
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sie bei uns waren. Als Beweis dafür führe ich an, dass sie dir zwar etwas vollkommen Neues zeigten , es dann aber wieder vor dir verbargen. Ich kenne mich mit den Zeichen der Götter aus. Dieses heißt ganz eindeutig, dass wir weiter leben sollen wie bisher und unsere Zeit nicht damit vergeuden dürfen, nach neuen Dingen zu streben.«
    Siarin warf ihrer Mutter unauffällig einen dankbaren Blick zu. Genau auf dieses Argument hatte Shikum Siarin vorbereitet, sodass sie nun in der Lage war, Filkrens Behauptung zu widerlegen.
    »Ich bin überzeugt, dass du dich irrst, Verehrter. Erste Tatsache: Die Südlichen Siedler lebten nach unserem bisherigen Wissen ebenso wie wir«, begann sie mit den rituellen Worten ihre Gegenargumentation. »Zweite Tatsache: Sie beschuldigen uns , den Willen der Götter dadurch zu missachten, indem wir immer noch nach den alten, bisher geltenden Regeln leben. Daraus folgt als dritte Tatsache: Die Götter haben ihnen schon vor längerer Zeit dieselbe Erlaubnis zum Beschreiten neuer Wege erteilt, die sie jetzt mir gaben. Vierte Tatsache: Noch niemals zuvor haben Rhukani – egal zu welcher Siedlungsgruppe sie gehören – anderen Rhukani den Zutritt zum Tempel verweigert. Fünfte Tatsache: Das ist etwas vollkommen Neues. Daraus folgt als sechste Tatsache: Veränderungen haben anderswo bereits begonnen.«
    Siarin wagte kaum, Luft zu holen, damit Filkren keine Gelegenheit erhielt, sie zu unterbrechen. »Erste Schlussfolgerung: Die Südlichen Siedler hätten niemals neue Wege gehen können, wenn es nicht der ausdrückliche Wille der Götter gewesen wäre. Hätten die Götter das nicht gewollt, hätten sie die Südlichen für die Abweichung von den alten Wegen bestraft. Zweite Schlussfolgerung: Meine Interpretation der mir gegebenen Zeichen ist demnach vollkommen korrekt.«
    Siarin war sich im Klaren darüber, dass mindestens ein Punkt ihrer Argumentation nicht der absoluten Logik entsprach sondern eine Vermutung war. Aber da weder Filkren noch ein anderer Rhukani der Nördlichen Siedlungen dabei gewesen war, konnte niemand es widerlegen. Und diese Tatsache brachte Siarin schließlich den Sieg in der Debatte. Die leuchtende Haut der meisten Anwesenden bewies, dass sie ihrer Sicht der Dinge folgten.
    Obwohl Filkren versuchte, die Versammelten zu überzeugen, dass die junge Siarin sich aufgrund ihrer Unerfahrenheit irrte, hebelte sie ihn schließlich mit dem Argument aus: »Du bist nicht bei mir gewesen, als die Götter mir ihr Zeichen gaben, Verehrter. Du hast nicht gesehen, was ich gesehen, und nicht gefühlt, was ich gefühlt habe. Demnach kannst du mangels persönlicher Erkenntnis auch nicht beurteilen, was die Götter mich wissen ließen und was nicht.«
    Die Versammelten signalisierten mit einem erneuten Aufstrahlen ihrer Haut, dass sie Siarins Meinung teilten. Und der orangerote Flimmer, der bei nicht wenigen dabei zu sehen war, zeigte deutlich, dass sie Filkren seine Niederlage gönnten. Filkrens Haut nahm einen tiefen, fast schwarzen Blauton an.
    »Ich bin seit mehr Zyklen Priester als du existierst, unreifes Kind!«, hielt er dagegen und beging in seiner Wut darüber, dass Siarin die Versammlung auf ihre Seite gebracht hatte, den Fehler, unsachlich zu werden. »Du bist zu jung und zu unbedeutend, um eine Ahnung zu haben, was die Götter wollen!«
    Siarin ließ sich nicht provozieren. »Erste Tatsache«, stellte sie ruhig fest, als begänne sie eine neue Argumentation. »Du selbst bist nur ein einziges Mal in deinem Leben im Heiligtum der Alten gewesen, als dir die Würde deines Amtes übertragen wurde, Verehrter. Zweite Tatsache: die Götter haben damals nicht zu dir gesprochen.« Diese Informationen hatte sie von ihrer Mutter, die zusammen mit Filkren am selben Tag ihr Amt erhalten hatte. »Schlussfolgerung: Du hast nicht mehr Erfahrung als ich darin, ihre Zeichen zu interpretieren.«
    Zwar war das eine überaus kühne, fast freche Behauptung gegenüber dem Ersten Priester der Siedlungen. Aber Filkren konnte diese Tatsachen nicht leugnen, da es für ihre Richtigkeit mehr als einen Zeugen gab. Wenigstens besaß er noch genug Selbstbeherrschung, um mit einer rituellen Verbeugung Siarins Sieg in ihrem Rededuell anzuerkennen, ehe er von der Kuppel sprang und in der Menge verschwand.
    Kurshak, die Erste Stimme des Regierungsrats, nahm seinen Platz ein. »Der Rat wird zu Beginn des neuen Tages zusammentreten und über diese Sache entscheiden«, verkündete sie. »Siarin aus dem Haus der
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