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Stern der Riesen

Stern der Riesen

Titel: Stern der Riesen
Autoren: James P. Hogan
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vorgesehenen Zweck: Er hielt seine Hose fest, zwängte ihm aber nicht die Hüfte ein. Er kam zu dem Ergebnis, daß er sich für seine neununddreißig Jahre noch recht gut gehalten hatte. Das Gesicht in dem Spiegel runzelte plötzlich die Stirn, denn das Ritual erinnerte ihn an die typische Darstellung einer männlichen Midlife-Crisis in einem Fernseh-Werbespot; jetzt fehlte nur noch die schwachsinnige Ehe-frau, die mit einer Flasche in der Hand in der Badezim-mertür erschien und ihm mit warmen Worten ein Mittel gegen Haarausfall, irgendwelche Deodorants, Wässerchen gegen Mundgeruch oder sonst etwas anbot. Der Gedanke brachte ihn zum Schaudern, und er warf den Kamm in den Spiegelschrank über dem Handwaschbecken, machte die Tür hinter sich zu und ging langsam in die Küche des Apartments.
    »Bist du fertig im Bad, Vic?« rief Lyns Stimme durch die offene Schlafzimmertür. Sie klang hell und fröhlich, was so früh am Morgen eigentlich verboten gehörte.
    »Geh nur rein.« Hunt tippte einen Code in das Terminal in der Küche, um eine Frühstücks-Speisekarte auf seinen Schirm abzurufen, und gab dann dem Robokoch die Anweisung, Rührei, Schinken (knusprig gebraten), Toast mit Marmelade und Kaffee in zwei Portionen zu servieren. Lyn erschien in dem Gang vor der Tür. Hunts Bademantel, den sie sich locker über die Schultern drapiert hatte, verbarg nicht viel von ihren langen, schlanken Beinen und ihrem goldbraun gebrannten Körper. Sie lächelte ihm kurz zu und verschwand in einem Wirbel von rotem Haar, das ihr bis zur Hüfte herabhing.
    »Das Frühstück ist unterwegs«, rief Hunt ihr nach.
    »Das Übliche«, stellte ihre Stimme aus der Tür fest.
    »Das hast du wohl geraten?«
    »Die Engländer sind Gewohnheitstiere.«
    »Warum sollte man sich das Leben auch verkomplizie-ren?«
    Der Schirm zeigte eine Liste von Nahrungsmitteln, die knapp wurden, und Hunt erteilte dem Computer seine Genehmigung, sie bei Albertson zu bestellen, damit sie später am Tag geliefert würden. Als er aus der Küche herausging und in das Wohnzimmer kam, begrüßte ihn das Geräusch der Dusche, die gerade angedreht wurde, und er überlegte sich, wie eine Welt, die es als normal akzeptierte, daß jeden Abend Menschen vor einem Publikum von Millionen Fremden ihre Verstopfung, Hämorrhoiden, Schuppen und Verdauungsprobleme diskutierten, den Anblick eines hüb-schen Mädchens, das sich auszieht, obszön finden konnte.
    »Nichts ist so komisch wie die Menschen«, hätte, so dachte er bei sich selbst, seine Großmutter aus Yorkshire gesagt.
    Man mußte kein Sherlock Holmes sein, um aus dem Anblick des Wohnzimmers, der sich ihm bot, die Geschichte des gestrigen Abends ablesen zu können. Die halbvolle Kaffeetasse, die leere Zigarettenschachtel und die Reste einer Pepperoni-Pizza, umgeben von unordentlich vor dem Schreibtisch-Terminal verstreuten wissenschaftlichen Artikeln und Notizen, ließen auf einen Abend schließen, der mit den besten und lautersten Vorsätzen begonnen worden war, einen weiteren Lösungsansatz für das Pluto-Problem anzugehen. Lyns Schultertasche auf dem Tisch bei der Eingangstür ihr achtlos auf ein Ende der Couch geworfener Mantel, die leere Flasche Chablis und der weiße Pappkar-ton mit den Resten der Rindfleisch-mit-Curry-Mahlzeit vom Straßenverkauf berichteten von einer unerwarteten, aber eigentlich nicht unwillkommenen Unterbrechung durch einen Besuch oder vielmehr eine Besucherin. Die zusammengedrückten Kissen und die beiden Paar Schuhe, die immer noch dort lagen, wo sie zwischen der Couch und dem Kaffeetisch hingefallen waren, erzählten den Rest der Geschichte. Na ja, sagte sich Hunt, es würde dem Rest der Welt wohl nicht allzuviel ausmachen, wenn man erst vierundzwanzig Stunden später erfahren würde, wie Pluto dort hingekommen war, wo er sich jetzt befand.
    Er ging zu seinem Schreibtisch und befragte das Terminal, ob im Verlauf der Nacht vielleicht Post für ihn eingetroffen war. Man hatte ihm den Entwurf eines Artikels zu-gesandt, der von Mike Barrows Team in den Lawrence Li-vermore-Labors verfaßt worden war. In ihm wurde die These vertreten, daß ein bestimmter Aspekt der ganymedischen Physik auf die Möglichkeit verwies, Kernfusion bei niedrigen Temperaturen herbeizuführen. Hunt überflog ihn kurz und ließ ihn zu seinem Dienstzimmer weiterleiten, wo er ihn genauer prüfen wollte. Zwei Rechnungen und Kon-toauszüge... abheften und am Monatsende wieder vorlegen.

    Eine Videoaufzeichnung von Onkel William in
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