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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979)
Autoren: Klaus Frühauf
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einer schnellen und intensiven Wendung des Kopfes und fixierte danach ihn, Kalo, aus großen, dunklen Augen, in denen ein wenig Wärme und viel Skepsis zu erkennen waren. Ihr forschender Blick bereitete ihm Unbehagen. Sie nannte ihren Namen mit sonorer Stimme und reichte ihm die Hand. Er wollte es bei der üblichen, kurzen Berührung bewenden lassen, aber sie hielt seine Hand lange und mit kräftigem Druck fest. Und dabei wandelte sich die Skepsis in ihrem Gesicht in gutmütigen Spott. Er aber fühlte sich berechnet, durchleuchtet, seziert.
     
    In der nächsten halben Stunde erreicht der Horizont des Planeten den Rand des Bodenbildschirms und wächst darüber hinaus. Eine weitere halbe Stunde später liegt unter der Fähre eine weite Ebene, glatt und tot, nur von den Rändern des Bildausschnitts reichen die Ausläufer einiger Wirbel in die Fläche hinein.
    Trotz der günstigen Voraussetzungen und ohne sich um Dona Larins Vorhaltungen zu kümmern, absolviert Tonder seine zwei Umläufe, dann dirigiert er die Fähre mit kurzen Steuerimpulsen über eine weite Ebene, die an den Rändern durch eisige Klippen und weiße, zerklüftete Gebirge begrenzt ist. In den nächsten Minuten durchstößt der Landeapparat unruhige Atmosphäreschichten. Die heftigen Erschütterungen erwecken mehr als einmal den Eindruck, das Material der Fähre werde bis an die Grenze seiner Festigkeit belastet.
    Es fällt Kalo auf, daß Dona Larin während des Abstiegs beharrlich schweigt, vielleicht verursachen ihr die heftigen Schlingerbewegungen und Vibrationen Übelkeit. Sie hält die Augen krampfhaft geschlossen und klammert sich mit beiden Händen an die Sessellehnen. Weiß treten die Knöchel hervor. Und während Kalo sie beobachtet, verspürt er ein wenig Schadenfreude.
    Dann treffen die Bremsfeuer auf den Boden der Ebene, Dämpfe wallen auf, Wolken eben noch fester Materie, die unter dem Einfluß der Hitze schlagartig in den gasförmigen Zustand übergeht und sofort wieder gefriert, stieben auf. Minutenlang verschwindet die Ebene hinter undurchsichtigen Nebelschwaden, die unvermittelt die Farbe wechseln. Vor den Bullaugen und auf dem Bildschirm läuft ein faszinierendes Spiel ineinanderfließender Pastelltöne ab.
    Erst viel später, als sich Nebelschwaden und Schneewolken senken, vergeht die unwirkliche Farbenpracht ebenso schnell, wie sie entstanden ist.
    Sie verlassen die Fähre nacheinander über die Schleuse. Es ist eine langwierige Prozedur, und Kalo atmet erleichtert auf, als die schweren Schuhe seines Skaphanders erstmalig den Boden des Pluto berühren. Draußen auf der glasigen Ebene sieht er sich vier gleichförmigen Gestalten gegenüber. Die Planetenschutzanzüge verwischen jede persönliche Kontur, die Gesichter sind hinter den Halbspiegeln der Helmvisiere verborgen.
    Eine dieser Gestalten ist Pela Storm, wie er Kommunikationstechniker, er hat sie erst während des Fluges zur Basis Pluto III kennengelernt, und noch weiß er nicht, ob sie gut zusammenarbeiten werden. 
    Über dem Horizont steht winzig klein und rötlich die Sonne, nicht größer als ein besonders hell leuchtender Stern. Trotzdem zaubert sie flammende Linien in das Weiß der Umgebung, verschwindet fast im Abglanz des eigenen Lichtes. Doch wo die Sonnenstrahlen nicht einfallen, ist die Landschaft des Pluto finster und unheimlich. Hier und da ragt ein bizarrer Eisfels auf, vom Licht zitternd hervorgehoben aus dem Dunkel des Planeten.
    Sie stehen und schauen; niemand von ihnen könnte sagen, wie lange. Sie sehen die Sonne über die Ebene wandern, über die Zacken und Blöcke aus Eis, immer im selben Abstand zum Horizont bleibend, sie sehen kristallene Pfeiler aufflammen und wieder verlöschen, und je länger sie stehen und schauen, um so deutlicher hebt sich die Ebene zu ihren Füßen aus dem Dämmer.
    Das Eis ist nicht einfarbig; Schlieren ziehen sich durch die Struktur der Fläche, graue Schlieren, die bei genauerem Hinsehen in pastellene Farben zerfließen. Glasige Pfeiler und Blöcke zersprühen das Licht zu Farbbändern, die mit der Sonne wandern wie suchende Lichtfinger, die nach den Besuchern dieses Sterns tasten. 
    Dona Larin faßt sich als erste.
    „Eine erstaunliche Welt", sagt sie versonnen. „Ein toter Planet, auf dem nur die Farben leben. Aber was für Farben! Keine ist aufdringlich, sie verschwinden so unauffällig, wie sie gekommen sind. Und sie gehen, ohne eine Spur zu hinterlassen."
    Die Radioastronomin Dona Larin ist schon eine beachtenswerte Frau,
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