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Steirerkind

Steirerkind

Titel: Steirerkind
Autoren: Claudia Rossbacher
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Bankomat-Karte seines Vaters abzuheben war für Lukas Wintersberger ein Leichtes gewesen. Der neue PIN-Code hatte sich bei dessen Papieren befunden, ein Reserveanorak des ÖSV im Kofferraum des Wagens. Nachdem der junge Mann gut getarnt mit Fotomaske und Mütze Geld abgehoben hatte, war er noch einmal zum Steirischen Bodensee gefahren, um Tatwaffe und Brieftasche des Alten unbemerkt in den Fischerwirt zu schmuggeln. Dass er gewusst hatte, wo der Reserveschlüssel aufbewahrt wurde, war seiner kurzen Affäre mit Katharina Knobloch zu verdanken – selbstverständlich vor seiner Beziehung zu Elena, hatte er versichert. Er sei im Gegensatz zu seinen verlogenen Eltern nämlich absolut treu. Wieder einer, bei dem sich die Perspektiven verschoben hatten, war Sandra dazu nur eingefallen, und hatte den Vatermörder den Wachebeamten übergeben.
    »Dein Lumumba wird kalt, Sandra«, holte Julius sie in die Gegenwart zurück.
    »Was? Ach so, ja. Entschuldige, bitte …« Sandra griff nach ihrem Häferl mit dem heißen Kakao und dem Schuss Rum. Julius prostete ihr zu.
    Am Nachbartisch flossen deutlich härtere Getränke, bemerkte Sandra. Die vier Snowboarder waren bereits in einem äußerst bedenklichen Zustand. Bei den vielen leeren Stamperln, die sich vor ihnen auf dem Tisch aneinanderreihten, war das auch kein Wunder. Doch damit nicht genug. Als die Kellnerin den Kaiserschmarrn servierte, verlangten die Jungs nebenan lautstark schon wieder nach der nächsten Runde.
    »Das ist aber endgültig die letzte«, hörte Sandra die Kellnerin sagen, woraufhin das Gegröle noch lauter wurde.
    »Das ist ja gemeingefährlich, die in ihrem Zustand wieder auf die Piste zu lassen«, sagte Sandra. »Soll ich nicht lieber mal vernünftig mit denen reden?«
    Julius seufzte und ließ die Gabel mit dem Kaiserschmarrn sinken. »Lass es gut sein, Sandra. Du bist nicht im Dienst. Bleib einfach locker und misch dich ausnahmsweise mal nicht ein«, mahnte er.
    »Ich soll locker bleiben? Und was ist, wenn die Typen nachher einen Unfall bauen?«
    »Bitte, Sandra, entspann dich und genieß den herrlichen Tag. Freu dich schon mal auf deine Après-Ski-Massage …« Julius lächelte sie an.
    Es fiel Sandra nicht leicht, sich nicht einzumischen. Aber sie schwieg – Julius zuliebe. Hätte sie zu diesem Zeitpunkt geahnt, welch weitreichende Konsequenzen ihr Verhalten haben würde, wäre sie keine Sekunde länger ruhig sitzengeblieben.

Epilog
     
    Die Sonne strahlte vom wolkenlosen Himmel. Die hohen Tannen zu ihrer Rechten flogen an Sandra vorbei, während sie die glitzernde Piste beschwingt hinuntercarvte, nur wenige Meter hinter Julius her. So glücklich war sie schon lange nicht mehr gewesen.
    Merkwürdig. Hatte sie das alles nicht genauso geträumt? Neulich, als sie bei Toni in Tunzendorf auf dem Sofabett übernachtet hatte. Sandra wunderte sich über ihr Déjà-vu-Erlebnis, als sie im Augenwinkel einen Schatten wahrnahm. War der Typ wahnsinnig?
    Julius hatte den Snowboarder, der unkontrolliert auf sie zuraste, noch nicht bemerkt. Gleich würde dieser Irre ihn über den Haufen fahren.
    »Julius!«, schrie Sandra so laut sie konnte und schwang ab, um selbst eine Kollision zu vermeiden.
    Die Warnung kam zu spät. Nur wenige Meter vor ihren Augen krachten die Männer zusammen. Das fürchterliche Knacken würde Sandra nie wieder vergessen, ob es nun von brechenden Knochen oder berstenden Teilen der Ausrüstung stammte, die ihnen um die Ohren flogen. Wie gelähmt sah sie tatenlos zu, bis die beiden Männer regungslos im Flachstück der Piste liegenblieben.
    Einige schreckliche Sekunden später traf Sandra bei ihrem Freund ein. Noch einmal rief sie seinen Namen. Doch Julius hatte das Bewusstsein verloren.
     
    E N D E

Glossar der steirischen und österreichischen Ausdrücke und Abkürzungen
     
    abposchen   abhauen
    Buam   Jungs
    Cobra   Sondereinsatzkommando
    Erdäpfelgulasch   Kartoffelgulasch
    FIS (Fédération Internationale de Ski)   Internationaler Skiverband
    Fleischlaberl   Fleischpflanzerl, Bulette
    Gatschn   tratschsüchtiger Mensch
    gemescht   von Meschen, die: gefärbte Haarsträhnen
    Gell?  Nicht wahr?
    Gfrast  heimtückischer Mensch
    Goschn  Mund
    Gsengt   Geschlachteten Schweinen werden durch Absengen die Borsten entfernt. Würde das bei einem lebendem Schwein durchgeführt werden, kann man sich vorstellen, wie die arme Sau rennt ; fahren wie eine gsengte Sau, bedeutet daher zu rasen.
    Gspusi  Affäre, Verhältnis, Flirt
    Häferl
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