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Steirerblut

Steirerblut

Titel: Steirerblut
Autoren: Claudia Rossbacher
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strich eine hellbraune Haarsträhne hinters Ohr und lehnte sich zurück. Selbstverständlich hatte sie sich diese Frage längst selbst gestellt. »Ich weiß nicht. Ich war 18, als ich von hier weggezogen bin. Und seither vielleicht fünfmal zu Besuch.«
    »Trotzdem kennst du doch viele Leute von Kindesbeinen an.«
    »Das schon.«
    »Also?«
    Sandra schwieg einen Moment lang, bevor sie antwortete. »Es gibt da vielleicht ein, zwei Typen, die wir uns vorknöpfen sollten.«
    »Gut. Schreib sie für morgen auf die Liste.«
    »Hab ich schon. Ich glaube allerdings nicht wirklich daran, dass ein Einheimischer unser Mann ist. Ich meine, wer von denen sollte ein Motiv gehabt haben? Wie gesagt, die Kovacs war völlig fremd hier. Außerdem hat es seit über 50 Jahren kein Gewaltverbrechen in diesem Ort oder in der näheren Umgebung gegeben. Kein Mord, kein Totschlag …«
    »Kein Sexualdelikt?«, unterbrach Bergmann sie.
    »Nichts Aktenkundiges.«
    »Und abseits der Akten?«, hakte er nach.
    Sandra fühlte die Hitze in ihre Wangen steigen. Nach all den Jahren konnte sie immer noch nicht begreifen, dass der Missbrauch an ihrer ehemaligen Klassenkameradin Franziska Edlinger durch deren Vater unter den Teppich gekehrt worden war. Zwar hatte damals der ganze Ort darüber getuschelt, aber dennoch weggesehen. Auch Sandra hatte geschwiegen. Unter Androhung harter Strafen. Das war eine jener Begebenheiten, die sie ihrer Mutter heute noch vorwarf. Was wohl aus Franziska geworden war? Und aus deren widerlichem Vater? Sie beschloss, Max nach dem Schicksal der Edlingers zu befragen.
    »Gab es nun etwas oder nicht?«, unterbrach Bergmann ihre Gedanken.
    »Nun ja, es gab da eine ziemlich unschöne Geschichte in den frühen 90ern. Ein Vater hat seine älteste Tochter über Jahre hinweg sexuell missbraucht«, erzählte sie.
    »Und?«
    »Nichts und. Es wurde keine Anzeige erstattet.«
    »Aber dein Vater war doch Gendarm hier im Ort.«
    »Mein Vater hatte damit nichts zu tun. Er hat sich schon Jahre zuvor nach Fürstenfeld versetzen lassen.«
    »Und du?«
    »Was ich?«
    »Na, was hast du getan?«
    »Ich war damals 14 Jahre alt. Was hätte ich denn deiner Meinung nach tun sollen?«
    »Deine Freundin darin bestärken, ihren Vater anzuzeigen, zum Beispiel.«
    »Sie war nicht meine Freundin. Aber glaube mir, genau das habe ich mehrmals versucht«, antwortete Sandra in einem schärferen Ton als beabsichtigt.
    »Offenbar warst du nicht sehr überzeugend.«
    »Sag mal, klagst du mich etwa an? Ich muss mich doch nicht vor einem oberg’scheiten Wiener rechtfertigen, der überhaupt keine Ahnung vom Leben in einer kleinen Ortschaft hat«, fuhr sie ihn an.
    »Hoppla, ein Gefühlsausbruch«, bemerkte Bergmann sichtlich amüsiert.
    Da war es wieder: dieses selbstgefällige Grinsen!
    Ganz ruhig, Sandra, komm wieder runter, versuchte sie sich zu beruhigen. »Entschuldige, Sascha. Aber du hast wirklich keine Ahnung, was am Land so alles läuft. Du kennst doch nur die geschönten Klischees auf den bunten Postkarten und in den Tourismusprospekten.«
    »Dann erzähl mir halt, was hier so alles läuft.«
    »Im Moment konzentriere ich mich darauf, einen Mordfall aufzuklären.«
    »Und wenn das eine mit dem anderen unmittelbar zusammenhängt?«, blieb Bergmann stur.
    »Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass sich ein Kinderschänder für die Kovacs interessiert hätte?«
    »Wohl kaum. Sie war Mitte 30. Nicht gerade im richtigen Alter für jemanden, der es mit Kindern treibt.«
    »Eben. Außerdem muss der Edlinger inzwischen über 60 sein. Wahrscheinlich ist er gar nicht mehr kräftig genug für so eine Tat.«
    »Wahrscheinlich auch nicht mehr potent genug. Denk an die Spermamenge. Wie oft hintereinander kann man eigentlich noch in diesem Alter?«
    »Das kann ich dir leider nicht beantworten. Aber wenn du darauf bestehst, finde ich es für dich heraus.«
    »Nicht nötig. Setz ihn auf die Liste. Dann fragen wir ihn morgen selbst.«
    »Das kannst du gerne übernehmen.« Sandra fuhr ihren Laptop herunter, der an diesem Abend ausnahmsweise einmal im Büro bleiben würde. »Willst du Max Leitgeb bei den morgigen Einvernehmungen dabeihaben? Er kennt die Leute hier in- und auswendig.«
    »Ich denke, wir kommen auch ohne deinen Dorfpolizisten klar. Er soll lieber ein Auge auf die Landjugend werfen, damit ihr nichts Böses widerfährt.«
    Schon wieder dieses spöttische Grinsen! Das reichte für diesen Tag. Sandra stand auf, nahm ihre Handtasche und die Lederjacke und schubste
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