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Steirerblut

Steirerblut

Titel: Steirerblut
Autoren: Claudia Rossbacher
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den Stuhl mit dem Knie unter den Schreibtisch. »Ich denke, wir sind fertig für heute. Ich bin nämlich zum Abendessen eingeladen«, verabschiedete sie sich.
    »Lass mich raten … Max, richtig?«
    Sandra schlüpfte wortlos in ihre Jacke, ohne Bergmann eines Blickes zu würdigen. Dennoch konnte sie fühlen, dass er sie beobachtete. Woher zum Teufel wusste er das? Sie hätte doch genauso gut bei ihrer Familie essen können. War sie für Bergmann wirklich so leicht zu durchschauen?
    »Muss ich denn wirklich ganz allein in der verqualmten Gaststube mein Abendessen einnehmen?«, fragte er gespielt vorwurfsvoll.
    »Du rauchst doch selber. Außerdem brauchst du ja nicht hier zu übernachten. Fahr heim nach Graz und komm morgen wieder«, schlug sie ihm vor, während sie durch die Tür ging, ohne sich umzudrehen.
    »Meinst du, es wird spät werden, Liebling?«, rief er ihr übermütig hinterher.
    Sie hatte nicht vor, sich noch weiter von diesem arroganten Idioten provozieren zu lassen. Es ging ihn überhaupt nichts an, dass ihr Ex sie zum Essen eingeladen hatte. Die Tatsache, dass sie nach all den Jahren wieder ein Date mit ihrer Jugendliebe hatte, fühlte sich auch so schon schräg genug an. Da konnte sie auf Bergmanns beißende Kommentare getrost verzichten. Nicht dass sie Schmetterlinge im Bauch gehabt hätte, aber ein wenig nervös war sie nun doch. Schließlich war die unvermeidliche berufliche Begegnung am Tatort und in der Polizeiinspektion etwas völlig anderes gewesen als das bevorstehende private Treffen in Max’ Wohnung. Warum hatte sie seine Einladung überhaupt angenommen? Was, wenn er mehr von ihr wollte, als nur über längst vergangene Zeiten plaudern? Würde sie mit ihm schlafen, wenn er darauf aus war?
    Der gute alte Max. Sie hatte ihn von heute auf morgen verlassen, kurz nachdem sie nach Graz gezogen war, um wie er – und wie schon ihr Vater davor – die Polizeischule zu absolvieren. Sie wollte ihr neues Leben in der Stadt ohne Einschränkungen genießen. Weit weg von allem, was sie an St. Raphael erinnerte, an ihre Mutter und ihren Halbbruder Mike. In Gedanken versunken trat Sandra hinaus in die Dämmerung und zog fröstelnd den Reißverschluss ihrer Jacke zu. Herrlich, diese frische Luft! Das war wirklich eines der wenigen Dinge, die sie an St. Raphael schätzte. Obwohl es da auch noch ein paar andere Dinge gab, wie die intakte Natur und einige nette Menschen wie Max. Sie würde heute Abend nicht mit ihm schlafen. Auch wenn sie sich noch so sehr nach körperlicher Nähe sehnte. War es wirklich schon ein halbes Jahr her, dass sie Sex gehabt hatte, überlegte Sandra, während sie hinter dem Steuer des Dienstwagens Platz nahm.
     
    Max öffnete ihr die Tür des alten Bauernhauses. »Wie schön, dass du schon hier bist! Komm doch rein in die gute Stube«, begrüßte er sie im Vorzimmer. Sandra ließ sich aus der Jacke helfen und zog aus alter Gewohnheit ihre Straßenschuhe aus. Max bückte sich nach den Gästepantoffeln und stellte sie kommentarlos direkt vor ihre Füße.
    »Das sieht ja toll hier aus«, meinte sie ehrlich begeistert und schlüpfte in die Filzlatschen.
    »Nicht wahr? Unglaublich, was der Architekt aus den alten Gebäuden gemacht hat«, stimmte er ihr zu.
    Bei Sandras letztem Heimatbesuch vor drei Jahren hatten sich die meisten der verlassenen Wirtschaftsgebäude noch in einem erbärmlichen Zustand befunden. Inzwischen waren daraus stilgetreu renovierte Wohnhäuser geworden, die, in der sanften Hochtalsenke gelegen, in neuem Glanz erstrahlten. So viel hatte sie schon am Vortag im Vorbeifahren erkennen können. Nun staunte sie, wie gemütlich die große Stube wirkte, in der seinerzeit geschlafen, gegessen, gewohnt und gefeiert worden war. Max diente das geräumige Zimmer als Wohn-, Ess- und Arbeitsraum. Die ursprünglichen Deckenbögen und der uralte Schiffboden waren liebevoll restauriert worden, genauso wie die Rauchkuchl mit dem antiken Herd im Nebenraum, die ansonsten zur modernen Küche umfunktioniert worden war. Max schob die Auflaufform mit dem Sterz ins Backrohr und öffnete eine Flasche Schilcher von der weststeirischen Weinstraße. Während er einschenkte, erzählte er, dass der Bauherr beinahe an der Renovierung der völlig verrußten alten Wände verzweifelt wäre. Schlussendlich hatte er dann doch noch den Tipp eines alten steirischen Maurers angenommen, der ihm zu Kuhmistmörtel geraten hatte, um den Originalzustand der Wände wiederherzustellen. Und siehe da, es hatte
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