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Steinbock-Spiele

Steinbock-Spiele

Titel: Steinbock-Spiele
Autoren: Robert Silverberg
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entfloh sie, Zick und Zack, um die verstreuten Köstlichkeiten herum zur Bar. Nicholson, immer noch für sich. Ihr Gesicht wurde blutrot. Sie hatte das Gefühl, daß ihr die Luft ausging. Suchte nach Worten, die Zunge nichts als Gaumen. Schließlich stieß sie hervor: »Alles Gute zum Geburtstag!«
    »Danke«, sagte er ernsthaft.
    »Genießen Sie Ihren Geburtstag?«
    »Sehr sogar.«
    »Es wundert mich, daß sie Sie nicht langweilen. Ich meine, weil Sie so viele davon gehabt haben.«
    »Ich langweile mich nicht so leicht.« Er war furchteinflößend ruhig, aus einem unerschöpflichen Reservoir an Geduld schöpfend. Er bedachte sie mit einem Blick, der gleichzeitig warm und unpersönlich war. »Ich finde alles interessant«, sagte er.
    »Das ist merkwürdig. Mehr oder weniger dasselbe habe ich vor ein paar Minuten zu Steiner gesagt. Heute ist nämlich auch mein Geburtstag.«
    »Wirklich?«
    »Der siebte Januar neunzehnhundertfünfundsiebzig, bei mir.«
    »Hallo, neunzehnhundertfünfundsiebzig. Ich –« Er lachte. »Es klingt ausgesprochen absurd, nicht wahr?«
    »Siebter Januar neunhundertzweiundachtzig.«
    »Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht!«
    »Ich habe Ihr Buch gelesen«, sagte sie. »Darf ich eine alberne Bemerkung machen? Mein Gott, Sie sehen nicht aus, als wären Sie tausendsiebzehn Jahre alt.«
    »Wie sollte ich denn aussehen?«
    »Eher wie er«, sagte sie und zeigte auf Francis Xavier Byrne.
    Nicholson lachte in sich hinein. Sie fragte sich, ob sie ihm sympathisch war. Vielleicht. Vielleicht. Nikki riskierte Blickkontakt. Er war kaum einen Zentimeter größer als sie, so daß daraus ein erschreckend intimes Erlebnis wurde. Er betrachtete sie unverwandt und konzentriert; sie stellte sich ihn umgeben von einem pulsierenden Mandala vor, angeschlossen durch strahlendrote und grüne Spinnerinetzringe. Sie griff aus ihren Lenden hinaus und warf eine Schlinge des Begehrens um ihn. Ihre Augen waren beredt, die seinen verschleiert. Sie spürte, wie er sich ruhig zurückzog. Nimm mich mit, flehte sie, nimm mich mit in eines der Zimmer hier. Gieß Leben in mich. Sie sagte: »Wie werden Sie die Leute auswählen, die Sie in dem Geheimnis unterweisen?«
    »Intuitiv.«
    »Und weisen natürlich jeden zurück, der direkt fragt.«
    »Weise jeden zurück, der fragt.«
    »Haben Sie gefragt?«
    »Sie sagten, Sie hatten mein Buch gelesen.«
    »Oh. Ja, ich erinnere mich: Sie wußten nicht, was geschah, Sie verstanden nichts, bis es vorbei war.«
    »Ich war ein schlichtes Gemüt«, sagte er. »Das ist lange her.« Seine Augen waren wieder lebendig. Er wird angezogen von mir. Er sieht, daß ich von seiner Art bin, daß ich ihn verdiene. Steinbock, Steinbock, Steinbock, du und ich, Steinbockmännchen und Steinbockweibchen. Spiel mein Spiel, Bock. »Wie heißen Sie?« fragte er.
    »Nikki.«
    »Ein schöner Name. Eine schöne Frau.«
    Die Leere der Komplimente vernichtete sie. Sie erkannte, daß sie mit geheimnisvoller Plötzlichkeit an einem notwendigen Punkt des taktischen Rückzugs angelangt war; Rückzug war obligatorisch, aus Furcht, daß sie zu starken Druck ausüben und den so gespannt hergestellten, spärlichen Kontakt zerstören mochte. Sie dankte ihm mit einem Blick und huschte graziös davon, drehte sich um nach Martin Bliss und schob ihren Arm durch den seinen. Bliss erbebte bei der Geste, glühte, sprang in einen höheren Energiezustand über. Sie vibrierte mit seinen Schwingungen, immer höher und höher. Sie war im Herzen der Party, im Mittelpunkt des Mandala: flach auf den Sohlen stehend, die Beine ein wenig gespreizt, ihr Körper eine Polarachse, mit Kraftlinien, die aus der Erde heraufschossen, hinauf durch die Kellergeschosse des Gebäudes, hinauf durch die siebenundachtzig Stockwerke, hinauf durch ihr Geschlecht, ihr Herz, ihren Kopf. So muß es sein, dachte sie, wenn dir Nichtsterblichkeit verliehen wird. Ein Augenblick spontaner Gnade, das Entzünden eines inneren Lichts. Sie blickte voller Liebe auf den armen, tölpelhaften Bliss. Du liebes Herz, du wandelnder Kalauer. Das Streichquintett erzeugte geschmolzene Töne. »Was ist das?« fragte sie. »Brahms?« Bliss erbot sich, das in Erfahrung zu bringen. Allein war sie Beute für Francis Xavier Byrne, der sie mit einem einzigen Kadaverblick niederstreckte.
    »Haben Sie es schon erraten?« fragte er. »Das Zeichen.«
    Sie starrte durch seinen zerfetzten, verkrebsten Körper, der im Verfall loderte.
    »Skorpion«, sagte sie heiser.
    »Richtig! Richtig!« Er zog
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