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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition)
Autoren: Stef Stauffer
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spiegeln auch eine Traurigkeit, die selbst die Spässe nicht zu überspielen vermögen.
    «In früherer Zeit wäre meine Laufbahn wahrscheinlich vorgezeichnet gewesen. Ich war ja genau so, wie die kleinen Kaminfegerjungen wohl gewesen waren. Wobei ich denke, dass meine Mutter mich nie weggegeben hätte. Auch nicht, wenn wir noch ärmer gewesen wären.
    Meine geringe Körpergrösse verleitete die anderen Kinder natürlich dazu, mir Aufträge zu erteilen, die sie selber nicht erfüllen konnten, da sie zu lang und zu breit dafür waren. Es gab da beispielsweise diese Felsspalte oben am Berg. Man konnte hineinrufen, und es klang so, als wäre dahinter eine riesengrosse Höhle. Alle hätten gern gewusst, wie das dort drinnen aussah. Darum wollten sie mich hineinschicken. Ich aber hatte Angst, durch diese Spalte zu schlüpfen. Es wäre sicher problemlos gegangen. Aber drinnen war es finster und sicher feucht. Und niemand wusste, was mich da erwartet hätte. Mir grauste vor diesem Unbekannten und vor der Dunkelheit. Ich wollte mich dem nicht aussetzen. Drinnen wäre ich dann ja ganz allein gewesen, und keiner hätte mir zu Hilfe kommen können. So lenkte ich immer wieder davon ab, indem ich andere Spiele anzettelte. Schlimmstenfalls rannte ich ihnen einfach davon. Als ich den Vater eines Abends einmal fragte, ob denn dort oben am Berg eigentlich eine grosse Höhle wäre, sagte er nur ja. Es sei ein Irrgarten von Wegen, und darin würden die Zwerge hausen. Die bösen Zwerge, welche nur in der Dunkelheit leben könnten und sich darum auch nur bei Nacht zeigten. Wenn nun aber ein Tier in ihre Höhle käme, so würden sie es bei lebendigem Leibe zerreissen und ihr rohes Fleisch aufessen. Somit war für mich diese Frage geklärt. Was ich mich erst später fragte, war, ob der Vater etwas von meinem Vorhaben geahnt hatte oder ob es der Zufall wollte, dass er mir diese abschreckende Geschichte erzählte. Er ist gestorben, bevor mir diese Frage einfiel.
    Nun hiess es natürlich von überall her, ich wäre der Angsthase. Er fürchtet sich vor bösen Zwergen, erzählten sie in der Schule, als diese im Herbst wieder anfing. Darüber wurde ausgiebig gelacht. Und das über Wochen. Wenn sie am Mittag ihre Spiele begannen, schlossen sie mich jetzt aus mit den Worten, man könnte dabei keinen Hasenfuss gebrauchen. Mein Zähneklappern würde nur die Verstecke verraten. Der das sagte, wurde Lupo genannt. Der Wolf. Er war der Stärkste und Grösste von allen. Das verdankte er aber nur der Tatsache, dass er das mit den Buchstaben und Zahlen nicht begriff und darum immer noch in unserer Klasse war. Aber die Muskeln zählten eben mehr als der Verstand, und die anderen hörten auf ihn. In diesem Winter war ich dann viel allein. Rannte den ganzen Schulweg nach Hause, um nicht ihrem Spott ausgeliefert zu sein, am Morgen schlich ich der Bande hinterher, immer mit einer Kurve Abstand. Sie richteten es dann so ein, dass sie absichtlich langsam gingen, aber so, dass sie gerade noch rechtzeitig zum Unterricht im Schulzimmer waren. Ich kam dann zu spät und musste als erstes die Strafe des Lehrers entgegennehmen. Was die anderen wiederum mit Schadenfreude erfüllte. Das zeigten sie natürlich nicht offen. Es geschah immer heimlich, dass sie mich quälten oder auslachten. Wenn es niemand hörte, nannten sie mich nur noch den Fifone, später nur noch Fifi, das kleine Hündchen. Das war sicher ein passender Name für mich in dieser Zeit. So kam ich mir nämlich wirklich vor. Wie ein geschlagener kleiner Hund, der den Schwanz einzieht. In der Nacht erschienen sie mir alle im Traum, lachten mich aus und redeten auf mich ein, was ich doch für ein Schisser wäre. In der Mittagspause setzte ich mich also irgendwo abseits hin. Mit der Zeit gesellten sich dann ein paar Mädchen zu mir, die bei den wilden Spielen auch nicht mittaten. Das war wieder ein Grund mehr, mich zu verhöhnen. Fifi mit seinen Püppchen, hiess es dann. Ich wurde still und stiller. Irgendwann fiel das dann sogar den Erwachsenen auf. Man kümmerte sich ja nicht so sehr um die Befindlichkeiten der Kinder. Solange sie gesund und folgsam waren, konnte man mit ihnen zufrieden sein. Dennoch fiel ihnen meine Schweigsamkeit auf. Ich, der ich doch immer der Spassvogel gewesen war. Ich hatte aber beschlossen, mich nicht mehr länger hinter dem Schutz der Mutter zu verstecken. Das hätte mir auch nicht viel genutzt auf dem Schulweg und in der Mittagspause. Am letzten Schultag erzählte uns der Lehrer die
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