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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition)
Autoren: Stef Stauffer
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Verursacher. Mit der Zeit wurde auch ich etwas klüger. Aber die Älteren eben auch. Die waren mir immer einen Schritt voraus.
    Ich bin ja vielleicht etwas zu kurz geraten. Aber zu kurz gekommen bin ich nie. Die Älteren, wenn sie am Wochenende von ihrer Arbeit nach Hause kamen, brachten mir immer eine Kleinigkeit mit. Süssigkeiten oder Schokolade, manchmal sogar ein Hemd, für das die Herrschaften unten keine Verwendung mehr hatten. So bist du wenigstens gut angezogen, meinten sie. Aber mit den Kleidern hatte ich es dann nicht mehr so. Auf jeden Fall nicht mit solchen. Es kam die Zeit der Jeans und langen Haare. Da tanzte ich dann aus der Reihe in meiner Jugend. Dafür waren dann die anderen schon zu alt und lebten bereits in geordneten Verhältnissen, waren Eheleute mit Kindern und so. Ich würde nie eine Frau finden, neckten sie mich. Für mich wäre immer nur die Mamma die beste. Eine andere käme da gar nicht in Frage. Mit Neugier verfolgten sie mein Treiben, wollten immer genau wissen, mit wem ich denn nun ausginge und welche mir gefiele. Von mir gab es da keine Auskunft. Sie fanden es aber doch immer heraus. Hier im Tal blieb ja nichts verborgen. Und dann musste ich mir die Kommentare gefallen lassen. Und alle die guten Ratschläge. Als ich dann doch heiratete, entgegen ihren Vermutungen, war es natürlich die Falsche. Gut, ich muss sagen, mir hat auch nicht alles gefallen, was die Geschwister da so in die Familie brachten. Das gehört wohl dazu. Aber ich gehöre zu denen, die mit allen auskommen können. Mit Humor geht fast alles. Ich bin wohl dazu geboren, die Gesellschaft zu unterhalten und zusammenzubringen. Ich war ja immer der Kasper in der Familie. Hatte die anderen zum Lachen gebracht, wenn sie alle so ernst am Tisch sassen. Man durfte da ja nicht reden, als Kind. Das war den Eltern vorbehalten. Der Mund war zum Essen da und nicht zum Plappern. So habe ich halt Grimassen geschnitten, wenn die Mutter uns den Rücken zukehrte und der Vater nicht aufpasste. Bis die anderen das Lachen nicht mehr verkneifen konnten. Ich konnte dann wieder ernst sein und meine Polenta löffeln, als wäre nichts gewesen. Schaute unschuldig drein, als wüsste ich nicht, was die anderen hätten. Zum Glück waren unsere Eltern da nicht gar so streng, und wir hatten manch lustige Runde am Tisch.
    Weniger lustig aber war es in der Schule. Ich fürchtete mich vor dem Lehrer. Und auch vor den vielen anderen Kinder. Auch da war ich der Kleinste und Schwächste. Hatte immer Angst, dass sie mich in der Pause oder am Mittag drannehmen würden. Auch traute ich mich nicht zu sagen, wenn ich mal musste. Und so ging das eine oder andere Mal etwas in die Hose. Da konnte man dann über mich lachen, was das Ganze noch Schlimmer machte. Eine der grossen Schwestern musste mich heimbegleiten, da kam ich dann ein weiteres Mal an die Kasse. Zuerst von ihr auf dem Heimweg, zu Hause dann von der Mutter, die meine Kleider waschen musste.
    Mit der Zeit lernte ich aber, mich auch in der Schule zu behaupten. Ich war schlau genug, um zu merken, welches meine Stärken waren. Ich heckte Streiche aus. Es gelang mir manchmal, den Lehrer zu blamieren, ohne dass dieser merkte, wer der Verursacher war. Das steigerte natürlich mein Ansehen unter den anderen, und bald betrachteten sie mich schon fast mit Ehrfurcht. Ich als der Kleinste und Geschickteste konnte natürlich auch überall reinschlüpfen, wo es für die anderen keinen Platz mehr gab. So sass ich einen halben Morgen in einem Kästchen in der Schulstube. Ich wäre heute krank, wurde dem Lehrer mitgeteilt. Mittendrin kroch ich auf meinen Platz und schrieb mit, als wäre ich immer da gewesen. Der Lehrer traute seinen Augen nicht, und die anderen beneideten mich um meinen Mut. Der Lehrer war nämlich nicht gerade der Sanfteste.»
    Das zweifache, helle Hupen verrät seine Durchfahrt. Er grüsst die Daheimsitzenden im Vorbeifahren. So geht er nicht verloren. Einer weiss immer, wo er gerade ist. So wird er nicht vergessen. Indem er sich bemerkbar macht. Es gibt keinen Grund mehr, sich zu verstecken. Im Vordergrund ist er am liebsten. Und zu Diensten. Vor allem, wenn ein Kaffee in Aussicht steht. Steht mit Farbtopf und Pinsel bereits in der Türe, kaum hat man sich erste Gedanken darüber gemacht, wie die feuchte Mauer wohl zu streichen wäre.
    Ein Gesicht wie ein Schauspieler. Mit ihm lässt sich in jeder Sprache reden. Mimik statt Worte. Mehr ist fast nicht nötig. Die Augen sprechen Bände. Doch sie
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