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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition)
Autoren: Stef Stauffer
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Früher machte man das auf diese Weise. Man nähte das nicht. Die Narben sieht man natürlich heute noch. Am Kopf und am Arm. Er hatte sich immer wieder verletzt. Aber er musste auch überall rein- oder raufklettern. Damals gab es einige Ruinen im Dorf. Da ist er auch einmal runtergefallen, als er auf einen Balken geklettert war, brach sich das Bein. Oder von einer Mauer im oberen Dorf stürzte er. Sechs Meter tief, hintenüber auf den Kopf. Da war er bewusstlos. Sie hatten Räuber und Polizist gespielt, und er passte nicht auf beim Hinterherrennen.
    Manchmal ging es schon etwas gefährlich zu und her. Beim Ponte unten stand beispielsweise noch die alte Postkutsche. Ich kam auf die Idee, dass wir damit spielen könnten. Ich setzte mich auf den Kutschbock, die Kleinen stiegen ein, und die Grossen mussten ziehen. Ich löste die Bremse, und los ging es. Bis die Strasse abschüssig wurde und ich mit der Bremse nicht mehr zurechtkam, ging alles noch gut. Zum grossen Glück kam da mein Vater gerannt. Es gelang ihm gerade noch, zu mir auf den Kutschbock zu springen. Er konnte den Hebel rechtzeitig in die richtige Richtung drehen. Sonst wären wir geradewegs in die Schlucht gefahren.
    Beichte haben wir auch einmal gespielt. Der Bruder auf dem Stuhl und ich hinter dem Vorhang. Drei Ave Maria müsse ich beten, weil ich so viel Unsinn gemacht hätte, sagte er zu mir und gab mir dazu eine Ohrfeige. Die gab ich ihm natürlich zurück, so fest, dass er mitsamt dem Stuhl, dem neuen, hinfiel und dieser in die Brüche ging. Wir sind davongerannt und trauten uns kaum mehr ins Haus zurück am Abend.
    Das waren unsere Spiele damals, als wir klein waren. Wir waren ja nur drei Mädchen. Sonst alles Buben. Denen mussten wir drei manchmal etwas entgegensetzen, wenn sie uns lästig wurden. Oben am Berg neben dem Haus wuchsen drei grosse Nussbäume. Das waren unsere Hütten. Dort sind wir Mädchen raufgeklettert. Die kleinen Buben konnten das nicht und jammerten unten. Aber wir hatten oben unsere Ruhe vor ihnen. Wir sind geklettert wie die kleinen Geissen.
    Das Spiel mit den Streichhölzern aber, das war das gefährlichste. Eine Freundin und ich, wir steckten immer die dürren Grasbüschel in Brand. Bis wir dies einmal mit einem besonders grossen Busch taten und der Wind ging. Da musste das ganze Dorf helfen, das Feuer zu löschen. Ich bin davongerannt und kam erst abends, als es dunkel war, wieder heim. Der Vater befahl mich einmal mehr ins Haus, und zwischen Mutter und Vater stehend wurde ich zünftig bestraft. Zündhölzer bekam ich seitdem nicht mehr in die Finger. Es hatte sich natürlich auch rasch herumgesprochen, wer die Brandstifterin gewesen war. Da bekam ich vieles zu hören. Die Nachbarschaft hatte ja bei der Erziehung immer ein bisschen mitgeholfen.
    Die alte Frau, die unterhalb der Strasse wohnte, hat mich immer sehr beeindruckt. Einige Brüder haben manchmal für sie gearbeitet. Sie hatte viele Kartoffeln, die ausgegraben werden mussten. Meine Brüder bekamen dann als Lohn Kaffee bei ihr, in den sie mit ihrem erdigen Zeigefinger Zucker rührte. Sie griff ins offene Feuer und fasste nach den glühenden Kohlen, um diese richtig hinzulegen, wenn sie kochen wollte, ohne sich dabei die Finger zu verbrennen. Sie verzog keine Miene. Und das Beste war, sie stand mit gegrätschten Beinen auf dem Feld, und unter ihrem Rocksaum bildete sich eine Pfütze. Wenn die Alte keine Unterhosen trägt, werde ich das auch nicht mehr tun. So wäre das doch viel praktischer, dachte ich. Tat es ihr nach, bis mich mein Vater erwischte. Es gab zwei Watschen. Er meinte, so was dürften nur die alten Weiber machen.
    Oben am Monte mussten wir auch jeden Abend die Ziegen melken. Ich konnte aber nicht melken, deshalb nahm ich, wenn ich an der Reihe war, immer eine Kollegin mit, die das für mich erledigte. Dafür konnte ich Butter machen im Fässlein, das man zwischen die Beine klemmte. Das war ja auch nicht schwer. Erforderte nur ein bisschen Geduld. Ich machte das aber deshalb gern, weil ich geschlagenen Rahm naschen konnte, wenn niemand hinsah.
    Meine erste Arbeit in der Fremde war als Küchenhilfe. Die Köchin hatte am Mittwoch jeweils frei, und dann musste ich alles alleine machen. Das Mittagessen kochen für fünfundzwanzig Personen. Bis ich fertig war mit dem Geschirr und allem, konnte ich gleich wieder anfangen mit dem Abendessen.
    Frei hatte man einen halben Tag pro Woche. Um zwei kam ich hier oben an und musste um fünf gleich wieder zurück mit dem
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