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Steile Welt (German Edition)

Steile Welt (German Edition)

Titel: Steile Welt (German Edition)
Autoren: Stef Stauffer
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das Lachen, das zum Alltag gehört wie bei anderen der Haushalt.
    «Ich war ein fröhliches Kind. Auch wenn ich schon damals oft krank war. Lachte viel. Immer sang ich. Nur tanzen konnte ich nie. Sogar wenn es regnete, ging ich ohne Schirm in die Schule, sang auf dem ganzen Weg, hüpfte und sprang. Kam triefend nass in der Schule an, doch das machte mir nichts aus. Nach der Schule musste ich ab und zu nachsitzen, weil ich wieder einmal einen Streich ausgeheckt hatte, musste zusätzlich als Strafaufgabe dann noch hundert oder fünfhundert Mal das gleiche Wort schreiben. Das erledigte ich dann jeweils schon auf dem Schulweg auf einem grossen Stein an der Strasse und liess den Onkel aus dem Nachbardorf unterschreiben, damit der Vater nichts davon merkte. Einmal mussten wir als Strafe durch das Dorf marschieren, weil wir eine Prüfung nicht bestanden hatten, ein Buch in der Hand, sodass alle Leute sahen, dass wir noch viel zu lernen hatten. Ich und sechs Buben. Die Leute am Fenster haben gerufen: welche Schande! Schaut das Huhn inmitten ihrer Gockel. Da war ich zehn Jahre alt, und ich schämte mich so. Diesen Spruch musste ich noch manches Mal hören. Der Lehrer war der Cousin meines Vaters. Darum war er mit mir noch strenger als mit den anderen. Einmal hatte ich sechsunddreissig Fehler gemacht beim Abschreiben, und der Maestro schlug mich mit dem Lineal sechsunddreissig Mal auf den Handrücken. Daheim wollte der Vater natürlich wissen, was mit meiner Hand passiert wäre. Die war so aufgeschwollen. Dann hast du das wohl verdient, meinte er nur. Als der Lehrer mir am nächsten Tag erneut Schläge geben wollte und diese Hand sah, tat es ihm dann wohl doch leid. Er schlug mich seitdem nicht mehr. In der Mittagspause hatten wir frei von zwölf bis halb zwei Uhr. Den Kakao, den Käse und das Brot hatte man schnell gegessen. Was sollte man in dieser Zeit also machen? Da fiel einem dann so einiges ein. Zum Beispiel spielten wir Verstecken. In der Kirche gab es die meisten und besten Verstecke. Wir stiegen in den Kirchturm hinauf, bis zuoberst. Wir dachten, wir wären unbemerkt geblieben. Bis der Pfarrer eines Tages den Kirchturm abschloss und uns einsperrte. Die Schule hatte natürlich längst wieder angefangen, als er uns endlich hinausliess. Wir mussten zur Strafe nachsitzen bis abends um sieben. Es war Winter und dunkel, als ich mich auf den Heimweg machen musste, als einzige aus dem Dorf hier. So schnell bin ich sonst nie heimgerannt. Sieben Minuten brauchte ich. Zu Hause konnte ich nichts abstreiten, der Pfarrer hatte bereits telefoniert. Da gab es Schläge. Mit dem Gürtel. Mein Vater schlug uns nur, wenn es nötig war. Von meiner Mutter gab es täglich Ohrfeigen, manchmal einfach so. Aber an diesem Abend war es besonders schlimm. Er zog den Gürtel aus der Hose, und die Mutter hielt mich fest. Er schlug mich auf die nackten Beine, sodass diese blau wurden. Am nächsten Tag ging ich ohne Strümpfe in die Schule, trotz der kalten Jahreszeit. Extra zum zeigen. Ich sass ja in der vordersten Reihe, damit der Lehrer mich im Auge behalten konnte. Er sah dann die Striemen auf meinen Beinen und fragte mich, woher die stammten. Von dem Tag an hat niemand mehr zu Hause angerufen, wenn ich etwas ausgeheckt hatte. Auf diese Weise hatte ich erreicht, dass es nicht mehr so viele Schläge gab.
    Manchmal, an schönen Tagen, schwänzten wir sogar die Schule und stiegen auf die Monti. Liessen ausrichten, wir wären krank. Das ist dem Lehrer natürlich aufgefallen, weil gerade ein paar miteinander fehlten. So viele auf einmal, das konnte ja gar nicht sein. So weit hatten wir natürlich nicht gedacht. Von Montag bis Donnerstag ging noch alles gut. Aber am Freitag machte einer den Spion und sah uns den Berg raufsteigen. Als ich am Abend heimkam, wusste mein Vater bereits, dass ich nicht in der Schule, sondern in den Bergen gewesen war. Wir hatten eine so schöne Woche. Diese hat die Schläge wettgemacht.
    Gelesen habe ich auch gerne und viel. Wenn das Wetter schlecht war, so habe ich mich versteckt im unteren Haus, in dem wir früher gewohnt hatten. Das stand ja danach leer. Da war ich ungestört, und ich versank in meinen Geschichten. Die Bücher durfte man sich in der Schule ausleihen. Es gab bereits eine Bibliothek. Und da hatte es so viele spannende Abenteuer zwischen diesen Seiten, die es zu entdecken gab. So hatte ich darüber die Zeit vergessen. Dann konnten sie mich suchen. Und ich las und vergass dabei die Welt um mich herum.
    Ja,
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