Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
steigen aus maschine brennt

steigen aus maschine brennt

Titel: steigen aus maschine brennt
Autoren: Roald Dahl
Vom Netzwerk:
mehr, den Fußboden zu fegen oder das Geschirr abzuwaschen oder das Haus reinzumachen; es hätte keinen Sinn mehr, Holz für den Ofen zu sammeln oder die Hühner zu füttern; es hätte keinen Sinn mehr, zu leben.
    Jetzt, als sie so am offenen Fenster saß, spürte sie die Kälte nicht; sie fühlte nur eine große Einsamkeit und eine große Angst. Die Angst erfaßte sie und wurde so stark, daß sie sie nicht ertragen konnte, und sie stand auf und lehnte sich wieder aus dem Fenster und sah zum Himmel hinauf. Und als sie hinaufsah, war die Nacht nicht mehr schön, sondern kalt und klar und ungeheuer gefährlich. Sie sah nicht die Wiesen oder die Hecken oder den Reifteppich auf der Landschaft; sie sah nur die Tiefe des Himmels und die Gefahr, die dort lauerte.
    Langsam drehte sie sich um und sank in den Sessel zurück. Die Angst war jetzt groß. Sie konnte an sonst nichts denken als daran, daß sie ihn sehen und bei ihm sein mußte, daß sie ihn jetzt sehen mußte, weil es morgen zu spät sein würde. Sie legte den Kopf auf die Rückenlehne des Sessels, und als sie die Augen schloß, sah sie das Flugzeug; sie sah es deutlich im Mondlicht, wie es durch die Nacht dahinflog wie ein großer schwarzer Vogel. Sie war ganz nahe, und sie sah, wie der Bug der Maschine weit herausragte, so als ob ein Vogel im eiligen Fluge den Hals vorstreckte. Sie sah die Markierungen auf den Flügeln und am Rumpf, und da wußte sie, daß er drin war. Zweimal rief sie ihn, aber es kam keine Antwort; dann stiegen Angst und Sehnsucht so stark in ihr auf, daß sie es nicht länger aushalten konnte und es sie vorwärts trug, durch die Nacht und immer weiter, bis sie bei ihm war, neben ihm, so nahe, daß sie ihn hätte berühren können, wenn sie die Hand ausgestreckt hätte.
    Er saß am Steuer, mit Handschuhen und einer großen, dicken Fliegerkombination, die seinen Körper massig und formlos und doppelt so groß wie normal erscheinen ließ. Er sah geradeaus auf die Instrumente vor sich, konzentrierte sich auf das, was er tat, und dachte an nichts anderes als an das Fliegen der Maschine.
    Jetzt rief sie ihn wieder, und er hörte sie. Er blickte sich um, und als er sie sah, lächelte er und streckte eine Hand aus und berührte ihre Schulter. Da war alle Angst und Einsamkeit und Sehnsucht von ihr gewichen, und sie war glücklich.
    Für eine lange Zeit stand sie neben ihm und sah ihm zu, wie er die Maschine flog. Von Zeit zu Zeit sah er sich um und lächelte ihr zu, und einmal sagte er etwas, aber sie hörte nicht, was es war wegen des Motorenlärms. Plötzlich zeigte er nach vorn, durch die gläserne Windschutzscheibe des Flugzeuges, und sie sah, daß der Himmel voll von Scheinwerferstrahlen war. Es waren viele Hunderte; lange weiße Lichtfinger, die träge über den Himmel wanderten. Sie schwenkten mal dahin und mal dorthin und arbeiteten zusammen, so daß manchmal mehrere von ihnen zusammenkamen und sich an derselben Stelle trafen, und nach einer Weile trennten sie sich wieder und trafen sich woanders wieder, und die ganze Zeit suchten sie in dem Dunkel nach den Bombern, die sich ihrem Ziel näherten.
    Hinter den Scheinwerfern sah sie die Flak. Von der Stadt kam ein dichtes, vielfarbenes Sperrfeuer herauf, und die Blitze der krepierenden Granaten erhellten das Innere des Bombers.
    Er sah jetzt geradeaus, konzentrierte sich auf das Fliegen, schlängelte sich zwischen den Scheinwerfern durch und flog direkt in diesen Flakvorhang, und sie sah zu und wartete und wagte nicht, sich zu rühren oder zu sprechen, aus Angst, sie könnte ihn damit von seiner Aufgabe ablenken.
    Sie wußte, daß sie getroffen waren, als sie die Flammen aus dem linken Innenmotor schlagen sah. Sie beobachtete sie durch das Glas des Seitenfensters und sah, wie sie die Oberfläche des Flügels beleckten, während der Wind sie nach hinten blies, und sie sah, wie sie den Flügel erfaßten und über die schwarze Oberfläche herantanzten, bis sie direkt unter der Kabine selbst waren. Zuerst hatte sie keine Angst. Sie sah ihn, wie er dasaß, sehr kühl, wie er ständig nach der einen Seite sah und die Flammen beobachtete und die Maschine steuerte, und einmal sah er sich schnell um und lächelte ihr zu, und da wußte sie, daß keine Gefahr bestand. Ringsherum sah sie die Scheinwerfer und die Flak und die Explosionen der Flakgranaten und die Farben der Leuchtspurgeschosse, und der Himmel war kein Himmel, sondern nur ein enger Raum, der so mit Lichtern und Explosionen angefüllt war, daß es
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher