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steigen aus maschine brennt

steigen aus maschine brennt

Titel: steigen aus maschine brennt
Autoren: Roald Dahl
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von England aus geflogen. Jetzt war er ein alter Mann.
    Er war klein, nicht größer als ein Meter achtundsechzig und hatte ein blasses, offenes Gesicht, das nichts verbarg, und ein spitzes Kinn. Seine Augen waren strahlend und dunkel. Sie standen nie still, außer wenn er jemand anderem in die Augen sah. Sein Haar war schwarz und wirr. Immer hing ihm eine Strähne in die Stirn; er strich sie andauernd mit der Hand zurück.
    Für eine Weile waren wir verlegen und redeten nicht. Er saß mir gegenüber am Tisch, ein wenig vorgebeugt, und zeichnete mit seinem Finger Linien auf das kalte, beschlagene Bierglas. Er sah das Glas dabei an und tat so, als konzentrierte er sich auf das, was er tat, und mir kam es so vor, als hätte er etwas zu sagen, wüßte aber nicht, wie er es sagen sollte. Ich saß da, nahm Nüsse vom Teller und kaute sie geräuschvoll und tat so, als wäre mir alles ganz egal, sogar, daß ich beim Essen ein Geräusch machte.
    Ohne mit dem Zeichnen am Glas aufzuhören oder den Blick zu heben, sagte er dann auf einmal leise und sehr langsam: «O Gott, ich wünschte, ich wäre ein Kellner oder eine Hure oder sonst etwas.»
    Er hob sein Glas und trank das Bier langsam aus, ohne abzusetzen, in zwei Schlucken. Da wußte ich, daß er etwas auf dem Herzen hatte, und ich wußte, daß er Mut sammelte, um es auszusprechen.
    «Laß uns noch eins trinken», sagte ich.
    «Ja, laß uns einen Whisky nehmen.»
    «All right, Whisky.»
    Ich bestellte zwei doppelte Scotch und Sodawasser, und wir gossen das Sodawasser in den Scotch und tranken. Er nahm sein Glas und trank, stellte es hin, nahm es wieder und trank mehr. Dann beugte er sich vor und begann plötzlich zu sprechen.
    «Weißt du», sagte er, «weißt du, ich denke immer bei einem Angriff, wenn wir über dem Ziel sind, wenn wir gerade die Bomben auslösen wollen, ich denke dann immer für mich, soll ich nicht ein bißchen schlenkern; soll ich ein ganz klein wenig nach einer Seite schlenkern, dann fallen meine Bomben auf jemand anderes. Ich denke immer, auf wen soll ich sie fallen lassen; wen soll ich heute abend umbringen. Welche zehn, zwanzig oder hundert Leute soll ich heute abend umbringen. Es liegt ganz in meiner Hand. Und jetzt denke ich bei jedem Flug darüber nach.»
    Er hatte eine kleine Nuß genommen und spaltete sie mit dem Daumennagel in zwei Hälften, während er sprach. Er hielt den Blick gesenkt und sah auf das, was er tat, weil ihn seine eigenen Worte verlegen machten.
    Er sprach sehr langsam. «Es wäre nur ein leichter Druck mit meinem Fußballen auf die Ruderpedale; ein so leiser Druck, daß ich kaum wüßte, daß ich es täte, und er würde die Bomben auf ein anderes Haus und auf andere Leute werfen. Es liegt ganz bei mir, die ganze Sache liegt bei mir, und jedesmal, wenn ich hinüberfliege, muß ich entscheiden, welche Leute umgebracht werden sollen. Ich kann es durch einen leisen Druck mit dem Fußballen auf die Ruderpedale. Ich kann es so tun, daß man gar nicht merkt, daß ich es tue. Ich lehne mich ein wenig nach einer Seite, weil ich meine Sitzhaltung verändern will. Das ist alles, was ich tue, und damit töte ich ganz andere Leute.»
    Jetzt war das Glas gar nicht mehr beschlagen, aber er fuhr mit den Fingern seiner rechten Hand immer noch an der glatten Fläche auf und ab.
    «Ja», sagte er, «es ist ein komplizierter Gedankengang. Sehr weitführend; und wenn ich bei einem Bombenangriff bin, kann ich den Gedanken nicht loswerden. Weißt du, es ist ein so leichter Druck mit dem Fußballen; nur eine Berührung der Ruderpedale, und der Bombenschütze würde es nicht einmal merken. Jedesmal wenn ich hinüberfliege, frage ich mich, sollen es diese sein, oder sollen es jene sein? Welche sind die schlimmsten? Vielleicht erwische ich, wenn ich einen kleinen Schlenker mache, ein Haus voll dreckiger, Frauen erschießender deutscher Soldaten, oder vielleicht verfehle ich gerade die Soldaten, wenn ich den kleinen Schlenker mache, und erwische dafür einen alten Mann in einem Unterstand. Wie soll ich das wissen? Wie kann ein Mensch so etwas wissen?»
    Er machte eine kleine Pause und schob sein leeres Glas von sich weg, in die Mitte des Tisches.
    «Und deshalb schlenkere ich nie», fügte er hinzu, «wenigstens fast nie.»
    «Ich habe einmal geschlenkert», sagte ich, «bei einem Erdeinsatz. Ich dachte, ich wollte lieber die auf der anderen Seite der Straße umlegen.»
    «Jeder schlenkert mal», sagte er. «Sollen wir noch einen trinken?»
    «Ja, laß
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