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Stehaufmaennchen

Stehaufmaennchen

Titel: Stehaufmaennchen
Autoren: Markus Maria Profitlich
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lade ich Simone zum Essen ein. Richtig fein, beim Vietnamesen in Bonn. Ich will mich als Fachmann der vietnamesischen Küche outen und bestelle »Chiên gián mặt đất«. Meine Bestellung löst Erstaunen aus. Danach hätte ja noch nie jemand gefragt. Und schon gar kein Europäer, wo wir uns doch so ekeln vor Insekten. Simone schaut den Kellner komisch an. Wahrscheinlich denkt siebei Insekten wieder an ihre Spinnen. Bevor sie wieder ausrastet, erkläre ich schnell, dass Insekten was anderes sind als Spinnen. Der Kellner pflichtet mir bei. Gegrillte Vogelspinnen würden ganz anders schmecken als frittierte Kakerlaken. Jetzt schaue ich den Kellner komisch an. Der Kellner wird etwas unsicher. Ich wüsste aber schon, dass »Chiên gián mặt đất« frittierte Kakerlaken seien, die zu einer schmackhaften Paste zerrieben würden. Nein, das wusste ich nicht. Schlagartig wird mir aber klar, warum ich im Wohnheim keine Kakerlaken mehr entdecke.
26. September 1991
    Stehe wieder im Büdchen. Um mich bei dem Besitzer für mein Benehmen zu entschuldigen. Als Zeichen meiner Reue schenke ich ihm einen Fresskorb. Morgen werde ich ihm erzählen, was er gegessen hat. Damit er in Zukunft weiß, wovon er spricht. Abends geb ich eine kleine Party im Wohnheim. Mein selbst gekochtes »Chiên gián mặt đất« kommt hervorragend an.

45. IBM

4. Oktober 1991
    Peter meint, ich wäre rückständig. Weil ich die Stundenliste für meinen Hausmeisterjob immer noch mit der Hand ausfülle. Wie sonst? Mit dem Fuß? Nein, heutzutage würde man so etwas mit einem Computer erledigen. Das sei viel fortschrittlicher und würde eine Menge Zeit sparen. Ich hatte mich mit dem Thema Computer noch nie beschäftigt, aber in meinem Freundeskreis tauchen immer mehr von diesen Kisten auf. Muss wohl was dran sein.
8. Oktober 1991
    Peter hat ein Superangebot. Einen gebrauchten IBM Computer mit modernem 286er Prozessor und 40 MB Festplatte. Eine Höllenmaschine für nur 800 Mark. Ich wäre echt blöd, wenn ich da nicht zuschlagen würde.
9. Oktober 1991
    Seit heute bin ich stolzer Besitzer eines Computers, denn ich bin ja nicht blöd. Peter schließt alles an. Die neue Anschaffung macht sich gut auf meinem Schreibtisch. Ich hocke mich neben Peter und schaue zu. Dann kommt der feierliche Moment. Peter schaltet ein. Es macht piep und brumm. Nach zwei Minuten kann man auf dem Bildschirm einen Buchstaben sehen. »C«.Bin beeindruckt. Peter schiebt eine Diskette in den Computer, und nach weiteren zwei Minuten erscheint »A«. Abwechslungsreich, so ein Computer, aber Peter scheint nicht zufrieden zu sein. Da würde ein ungeheuer wichtiger Treiber fehlen. So könne er das Betriebssystem nicht aufspielen und er müsse eben eine Diskette mit dem Treiber holen. Ich soll bloß nix anfassen, aber immer gucken, ob sich auf dem Bildschirm was tut. Peter geht. Schaue eine Stunde konzentriert auf das blinkende »A«. Als Peter wieder auftaucht, hat er eine Plastiktüte voll Disketten dabei. Drei Stunden später hat er es geschafft. Das Betriebssystem startet. Peter ist begeistert. Frage ihn, was ich mit so einem Betriebssystem machen kann. Oh, eine ganze Menge. Im Grunde stünde mir eine neue Welt offen. Ich könnte mir zum Beispiel das Dateisystem angucken. Peter macht es vor und zeigt auf eine Datei, die autoexec.bat heißt. Was man damit machen kann, sei der nackte Wahnsinn. Frage, ob man auch eine Stundenliste damit ausfüllen kann. Peter glotzt mich an. Ich hätte ja wohl überhaupt keine Ahnung. Komme mir rückständig vor. Peter hält einen zwanzigminütigen Vortrag über kompliziert klingende wichtige Dateien. Komme mir nun stark rückständig vor. Lenke das Thema auf ein Gebiet, von dem ich was verstehe, und frage noch mal nach der Sache mit der Stundenliste. So weit seien wir noch lange nicht. Erst müsste das System gepflegt werden. Das ist nämlich sehr empfindlich. Oha! Zum Beispiel müsste man Dateien defragmentieren. Einmal am Tag, besser zweimal. Peter macht es vor und defragmentiert. Wir schauen zu, wie auf dem Bildschirm bunte Klötzchen von rechts nach links wandern. Das könne jetzt zwei Stunden dauern, weil ich so eine irre große Festplatte hätte. Bin stolz. Tief in der Nacht geht Peter nach Hause.
10. Oktober 1991
    Am nächsten Nachmittag steht Peter wieder auf der Matte. Diesmal mit zwei Tüten voll Disketten. Man müsse erst mal ein paar Tuningprogramme installieren, damit die Kiste noch schneller wird. Ob ich denn heute schon defragmentiert
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